Analyse zur Landtagswahl Bayern

ein Kommentar von Martin Gramer / Daten von Robert Gabel gemäß der Wahlbehörden

 

Die CSU ist wie in diesem Bundesland nicht anders zu erwarten, stärkste Partei geblieben, hat aber mit 37,2 % ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1950 erzielt und muss sich dauerhaft daran gewöhnen, sich nicht mehr auf absolute Mehrheiten, wie es von 1962 bis 2008 der Fall war, stützen zu können. 

Noch wesentlich prekärer stellt sich die Situation für die SPD dar. Mit 9,7 % wurde sie hinter CSU, Grünen, Freien Wählern und AfD nur noch fünftstärkste Partei und erzielte ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands. Ihr bisheriges historisches Tief waren 9,8 % 2004 in Sachsen gewesen. Ähnlich wie in manchen Gebieten Ostdeutschlands (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) ist sie auf dem besten Weg, auch in Süddeutschland zu einer Zehnprozent-Partei zusammenzuschrumpfen, worauf bereits das Ergebnis in Baden-Württemberg zwei Jahre zuvor (12,7 %) hindeutete. Dabei ist die SPD auf kommunaler Ebene in Bayern stets sehr stark gewesen und stellt etliche Landräte und Bürgermeister, so dass gespannt auf die kommenden Kommunalwahlen geschaut werden kann, ob sich der Trend zulasten der SPD auch auf den anderen politischen Ebenen fortsetzen wird.

Die GRÜNEN verdoppelten ihr Wahlergebnis und sind mit 17,5 % zumindest eine Beinahe-Volkspartei, die diese Position ähnlich wie bereits in Baden-Württemberg von der SPD übernimmt. Insgesamt sechs Stimmkreise im urbanen Raum – fünf in München und einen in Würzburg – eroberten sie im bisher tiefschwarzen CSU-dominierten Bayern. Jeder, der so etwas noch vor 30 Jahren prognostiziert hätte, wäre wohl für verrückt erklärt worden, aber in Zeiten von machtpolitisch erfolgreichen schwarz-grünen und sogar grün-schwarzen Landesregierungen wird mit einer weiteren Tendenz zu bürgerlicher Politik der Grünen zu rechnen sein.

Ebenfalls zweistellig wurden die seit 2008 im Landtag vertretenen und auf kommunaler Ebene bereits seit Jahrzehnten etablierten Freien Wähler, die aller Voraussicht nach als Juniorpartner in der Landesregierung vertreten sein werden – sowie die AfD, die vor fünf Jahren auf einen Wahlantritt verzichtet hatte. Die FDP, für die in Bayern die Bäume auch noch nie in den Himmel gewachsen waren, schafft mit 5,1 % nach fünf Jahren knapp die Rückkehr in den Landtag; einer ihrer dortigen Abgeordneten wird der langjährige FOCUS-Chefredakteur Helmut Markwort sein.

Die Tierschutzpartei stellte sich zum ersten Mal der Herausforderung, bei einer bayerischen Landtagswahl teilzunehmen. Dass sie dies in der Vergangenheit bislang vermieden hatte, ist hauptsächlich auf zwei Gründe zurückzuführen. Zum einen stellt das dortige Wahlrecht für Kleinparteien eine sehr große Hypothek dar: Man muss in allen sieben Regierungsbezirken getrennt antreten und getrennt Unterschriften sammeln. Dann kommt hinzu, dass bei Landtagswahlen in Bayern beide Stimmen ausschlaggebend für die Sitzverteilung sind. So muss eine kleine Partei, sofern sie hinsichtlich der optimalen Stimmenausbeute gegenüber den etablierten Parteien nicht benachteiligt sein will, nicht nur in allen sieben Bezirken wählbar sein, sondern in jedem einzelnen der 91 Stimmkreise einen eigenen Kandidaten nominieren können, was sehr schwierig bis unmöglich ist.

Zum anderen spielt die Präsenz der inhaltlich ähnlich ausgerichteten ÖDP, die seit 1990 bei Landtagswahlen im Freistaat regelmäßig rund zwei Prozent erzielt, auf kommunaler Ebene sehr stark verwurzelt ist und der CSU mit mehreren Volksbegehren wie der Abschaffung des Senates 1998 sowie dem Nichtraucherschutz 2010 immer wieder erfolgreich auf die Pelle gerückt ist, eine gewichtige Rolle. Gemessen daran und dem Umstand, dass die Tierschutzpartei lediglich in drei von sieben Bezirken auf dem Stimmzettel erschien, ist das Wahlergebnis von 0,3 % beachtlich, während die flächendeckend angetretene ÖDP mit 1,6 % ihr schlechtestes Resultat seit 1986 erzielte. Neben der Tatsache, dass sie Ende 2014 zuerst ihren medienwirksamen und dynamischen Bundesvorsitzenden Sebastian Frankenberger stürzte sowie kurze Zeit später auch aus der Partei drängte, dürfte der erstmalige Wahlantritt der Tierschutzpartei sowie einer gewissen Partei mit fast identischer Programmatik ihr Ergebnis runtergedrückt haben.

Diese V-Partei erzielte wie die Tierschutzpartei ebenfalls 0,3 %, absolut jedoch rund 6.000 Stimmen weniger, obwohl sie in allen sieben Regierungsbezirken wählbar war und das Bundesland ihre Keimzelle war. Wie bei den bisherigen Wahlantritten dieser 2016 gegründeten Partei – bei der letztjährigen Bundestagswahl und bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen sowie Niedersachsen blieb sie bei 0,1 % hängen – zeigt sich, dass Wahlerfolge nicht aus dem Boden schießen, sofern man nicht Unmengen an Geld vorrätig hat oder mit Rechtspopulismus auf Stimmenfang geht. Die Gründer  haben immer wieder verlautbaren lassen, dass die Tierschutzpartei in ihrer nunmehr 25-jährigen Parteigeschichte nie wirklich vorangekommen sei und ihnen das alles dort viel zu langsam ginge. In der Erwartung, sie könnten alles besser mit anderem Namen, anderem visuellem Auftritt, einem anderen Image und großem Buhei in den sozialen Netzwerken, müssen ihre Gründer und Anhänger nun erkennen, dass man nur in kleinen Trippelschritten, mit beharrlicher Arbeit und sehr viel Geduld zu Wahlerfolgen gelangen kann.

Dass sie anders als bei ihren bisherigen Wahlantritten mehr als 0,1 % erzielt hat, liegt daran, dass sie ihren Ursprung in Bayern hat – der Bundesvorsitzende und Gründer ist aus diesem Land – und dass sie in allen sieben Regierungsbezirken wählbar war. Letzteres dürfte bewirkt haben, dass sie in den Bezirken ohne Wahlantritt der Tierschutzpartei den einen oder anderen Wähler für sich gewinnen konnte, der ansonsten wohl sein Kreuz bei uns gemacht hätte – ähnliches gilt für die Grünen-Abspaltung namens „mut“. Es bleibt zu hoffen, dass die Gründer und Mitglieder aller programmatisch oder von der Außenwahrnehmung her dem Tierschutz verpflichteten Parteien bald einsehen, dass dieses Nebeneinander aufgrund der großen inhaltlichen Schnittmengen auf die Dauer nicht zielführend ist und sich der Tierschutzpartei anschließen nach dem Motto: „Gemeinsam ist man stärker!“ Zur oberbayrischen Bezirkswahl traten übrigens weder die V-Partei noch die Liste „mut“ an, was ein Zukunftsmodell werden muss, wenn im Bereich Tierschutz und Tierrechte wirklich politische Veränderung bewirkt werden sollen.

Zeitgleich mit der Landtagswahl wurden in Bayern die sieben Bezirkstage gewählt. Anders als bei Landtagswahlen muss dort keine Sperrklausel überwunden werden, sondern lediglich so viele Stimmen erzielt werden, wie für einen Sitz erforderlich sind. Während dies in Niederbayern und Unterfranken aufgrund der geringen Sitzanzahl misslang, war die Tierschutzpartei in Oberbayern erfolgreich. Der dortige sehr große Bezirkstag stieg zudem aufgrund der vielen Überhang- und Ausgleichsmandate auf 82 Sitze an, womit ein Wahlergebnis von 0,7 % für einen Sitz ausreichte. Dieses Ergebnis spiegelt jedoch wider, dass auch in Oberbayern nicht alle Stimmkreise mit Kandidierenden besetzt werden konnten. Nimmt man hingegen die Ergebnisse der vergebenen Erststimmen, kam die Tierschutzpartei auf ein durchschnittliches Ergebnis von 1,3 %, was ein durchaus beachtlicher Stimmenanteil ist, zumal die Wahlbeteiligung anstieg und die mediale Polarisierung auf die großen Parteien so stark wie nie zuvor war. Alle Erststimmenkandidierenden erzielten ein Ergebnis über 1,0 % und der höchste Wert wurde im Stimmkreis Landshut mit 1,6 % von Gertraud Götz-Volkmann erreicht.

Überall dort, wo die Tierschutzpartei Erststimmenkandidierende aufstellte, waren auch die Zweitstimmen zahlreicher – ein Effekt, der auch bereits bei der Bundestagswahl beobachtet werden konnte. Personalisierung der Politik war schon immer ein Erfolgsgarant und muss daher künftig weiter ausgebaut werden. Die Ärztin Dr. Susanne Wittmann wird für die kommenden fünf Jahre in Oberbayern eine fachkundige Stimme für Mensch, Umwelt und Tierschutz sein. Insbesondere ihre beruflichen Erfahrungen wird sie einbringen können, da die bayrischen Bezirke für Kliniken zuständig sind. Glückwunsch an den Landesverband Bayern und an Susanne!

 

BEZIRKSWAHLEN in Oberbayern, Niederbayern und Unterfranken – Stimmen der Kandidierenden der PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ
Erststimmen
Zweitstimmen
Gesamtstimmen
Dr. Susanne Wittmann
Oberbayern
993
1,29%
12.747
13.740
GEWÄHLT
Alexander Wied
Oberbayern
1.197
1,31%
2.600
3.797
Svenja Sänger
Unterfranken
1089
1,49%
2.325
3.414
Gertraud Götz-Volkmann
Niederbayern
1.409
1,58%
2.225
3.634
Sabrina Bremer
Unterfranken
1376
1,52%
1.802
3.178
Katharina Deckert
Unterfranken
910
1,24%
1.781
2.691
Elisabeth Reithmayer
Oberbayern
1.379
1,50%
1.603
2.982
Marie Ann Lasan
Oberbayern
1.549
1.549
Carina Huber
Niederbayern
1.324
1.324
Thomas Frank
Oberbayern
753
1,05%
1.285
2.038
Bernd Seidemann
Niederbayern
1.116
1.116
Jaqueline Kraft
Unterfranken
965
1,27%
1.096
2.061
Kaspar Obermüller
Niederbayern
1.086
1.086
Manfred Reithmayer
Oberbayern
1.092
1,35%
994
2.086
Elisabeth Mindt
Oberbayern
736
736
Martina Schlesinger
Niederbayern
671
671
Stephanie Weiser
Oberbayern
1.063
1,17%
663
1.726
Bernhard Schwarz
Oberbayern
687
1,03%
598
1.285
Ingrid Röhrner
Niederbayern
583
583
Kim Stoyhe
Oberbayern
518
518
Meike Jannicke
Oberbayern
854
1,19%
453
1.307
Michael Krämer
Oberbayern
1.091
1,36%
452
1.543
Listenstimme
Oberbayern
298
298
Listenstimme
Niederbayern
76
76
Listenstimme
Unterfranken
19
19