von Martin Gramer
Ähnlich wie zwei Wochen zuvor in Bayern brachte die Wahl in Hessen einen Absturz der beiden Volksparteien hervor. Die CDU blieb mit 27 Prozent zwar stärkste Partei und zementierte diese Position in diesem einst SPD-dominierten Bundesland, erzielte jedoch ihr schlechtestes Resultat seit 1966. Die SPD unterbot mit 19,8 Prozent ihr bisheriges historisches Tief von 2009, das sie damals als Quittung für Andrea Ypsilantis Wortbruch erhalten hatte, abermals und musste sich im Rennen um Platz zwei knapp den GRÜNEN geschlagen geben. Anders als in Bayern, wo sie unter zehn Prozent rutschte und nur auf Platz fünf landete, kann sie sich immer noch rühmen, diesmal einen doppelt so hohen Stimmenanteil und den Sprung auf das Podest erlangt zu haben. Letzteres ist mit Blick auf Süddeutschland für sie auch keine Selbstverständlichkeit mehr.
Die AfD, die vor fünf Jahren zum bisher einzigen Mal bei einer überregionalen Wahl an der Fünfprozenthürde gescheitert war, wird mit 13,1 % ebenfalls zweistellig und ist nun in allen 16 Landtagen vertreten. Die FDP, die 2013 den Einzug nur um Haaresbreite bewerkstelligt hatte und mit einem extrem selbstdarstellerischen Spitzenkandidaten angetreten war („René rockt!“), legte ebenfalls zu (7,5 %), ebenso wie DIE LINKE (6,3 %), die in Hessen sehr stark mit dem kommunistischen Lager (vor allem in Form der DKP) verbandelt ist. Somit sitzen erstmals sechs Parteien im dortigen Landtag.
Spannend war am Wahlabend die Frage, ob die seit fünf Jahren amtierende schwarz-grüne Landesregierung ihre Mehrheit verteidigen kann, oder ob eine Jamaika-Koalition erforderlich ist; letztendlich konnte die amtierende Regierung ihre Mehrheit mit einem Sitz Vorsprung verteidigen. In Bezug auf die GRÜNEN darf abgewartet werden, ob sie sich wie in Baden-Württemberg dauerhaft zu einer Volkspartei entwickeln werden oder ob dies momentan ausschließlich der geringen Popularität der im Bund amtierenden „GroKo“ geschuldet ist. Jedenfalls hat Frau Merkel als Folge des schlechten Abschneidens ihrer Partei bei dieser Wahl angekündigt, Ende des Jahres nicht mehr als Vorsitzende zu kandidieren und sich nach der Legislaturperiode aus der Politik zurückzuziehen.
Im Segment der Sonstigen wurden die Freien Wähler mit 3,0 % stärkste Kraft, was hauptsächlich auf Rückenwind durch die zwei Wochen zuvor stattgefundene Bayern-Wahl beruhen dürfte, bei der ihr dortiges Pendant drittstärkste Kraft wurde und wahrscheinlich eine Koalition mit der CSU eingehen wird. Unmittelbar danach folgt die Tierschutzpartei mit 1,0 %. Auf zwei Stellen hinter dem Komma gerundet erzielte sie 0,98 %, womit der Landesverband die Hürde für staatliche Zuwendungen um Haaresbreite verfehlte. Dennoch ist dies bis heute das beste Ergebnis bei einer Landtagswahl in einem westdeutschen Flächenland der Tierschutzpartei; der bisherige Rekord lag bei 0,9 % bei der rheinland-pfälzischen Landtagswahl von 2001. Eventuell hat zu dem guten Wahlergebnis die Tatsache beigetragen, dass die GRÜNEN als Koalitionspartner der CDU die Erwartungshaltung ihrer potentiellen Wähler nur sehr eingeschränkt erfüllen können. Die Landesvorsitzende Louise Zaske trat zudem im Wahlkreis Hochtaunus II als Direktkandidatin an und erzielte 0,84 % aller Wahlkreisstimmen. Alle übrigen Kleinparteien blieben jeweils deutlich unter einem Prozent der Landesstimmen.
Die V-Partei erzielte diesmal nur 0,1 %, womit noch deutlicher als in Bayern zwei Wochen zuvor zum Vorschein kommt, dass ihre Gründung vor zwei Jahren nicht automatisch Erfolg bei Wahlen bedeutete. Anders als in Bayern birgt das hessische Wahlrecht für Kleinparteien keine so riesigen Hürden, da man problemlos mit einer landesweiten Liste beim Bewältigen der erforderlichen Anzahl von Unterstützungsunterschriften antreten kann. Hätte auch nur ein Viertel ihrer Wähler das Kreuz bei der Tierschutzpartei gemacht, hätte diese die Ein-Prozent-Hürde überwunden und der hessische Landesverband würde für die folgenden fünf Jahre staatliche Zuwendungen erhalten.
Spätestens die Landtagswahl von Hessen muss den Mitgliedern, Anhängern und Wählern dieser Partei dahingehend die Augen öffnen, dass sie durch dieses Nebeneinander der gemeinsamen Sache langfristig nur schaden!
Die besten Stimmbezirksergebnisse waren:
Bengendorf 11,1 %
Winnerod 8,3 %
Bannerod 6,6 %
Kelze 5,7 %
Frankfurt Gruneliusschule 5,7 %
Mittershausen-Scheuerberg 5,3 %
Ibra 5,1 %
Waschenbach 5,0 %
Der beste Wahlkreis war Main-Kinzig I mit 1,5 %, gefolgt von drei weiteren Wahlkreisen und dem gesamten Main-Kinzig-Kreis, die 1,4 % erhielten.