Anregung an den Landkreis Aurich/ Tiertransporte in Drittländer

Der Landkreis Aurich hat sich mit der an den Kreistag gerichteten Anregung, die Abfertigung von Tiertransporten in Drittländer vom Nachweis einer Zucht im Drittland abhängig zu machen, befasst. Anstatt die Anregung aufzugreifen, wird ausgeführt, dass lediglich die EU-VO 1/2005 zu prüfen sei, dass keine pauschalen Exportverbote für einzelne Länder bestehen und auf unmaßgebliche, gerichtliche Beschlüsse verwiesen.

Wahrscheinlich um davon abzulenken, dass die Tiere im Drittland nicht der Zucht, sondern der Schlachtung zugeführt werden. Und zwar nicht erst, nachdem eine Herde mit diesen Tieren aufgebaut wurde, sondern gleich. Wäre ja irgendwie schon blöd, wenn die Geschichten vom Zuchttiertransport plötzlich nur noch als Märchen daher kommt und Deutschland wissentlich seine Tiere der Schächtung im Drittland zuführt.

Der vollständige Schriftverkehr ist u.a.

Am 10.02.2021 haben wir uns mit folgender Anregung an den Landkreis Aurich gewandt:

„Sehr geehrter Herr Landrat Meinen,

hiermit wende ich mich gem. § 34 NKomVG i.V.m. § 9 der Hauptsatzung des Landkreises Aurich mit folgender Anregung an den Kreistag:

1. Weisen Sie den Landrat an, beantragte Abfertigungen von Tiertransporten in Tierschutz-Hochrisikostaaten (insbesondere Ägypten, Algerien, Aserbaidschan, Irak, Iran, Jemen, Jordanien, Kasachstan, Kirgistan, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien, Tadschikistan, Türkei, Tunesien, Turkmenistan und Usbekistan) abzulehnen, soweit nicht eindeutig nachgewiesen ist, dass die Tiere im Zielland auch Zuchtzwecken zugeführt werden. Der Nachweis kann beispielsweise durch Vorlage einer amtlich beglaubigten Aufstellung der im Zielland lebenden Nachzucht der in der Vergangenheit dorthin transportierten Tiere erfolgen (Herdenbuch).

2. Hilfsweise: Behalten Sie sich die Beschlussfassung für die Abfertigung von Tiertransporten in Tierschutz-Hochrisikostaaten gem. § 58 Abs. 3 NKomVG vor und machen Sie Ihre Entscheidung vom eindeutigen Nachweis, dass die Tiere im Zielland auch Zuchtzwecken zugeführt werden, abhängig.

Begründung:

Grundlage für die Abfertigung von langen Beförderungen ist die Verordnung (EG) Nr. 1/2005, nach welcher eine sog. Plausibilitätsprüfung durchzuführen ist. Es gab inzwischen unzählige Reportagen –ganz aktuelle die gestrige Reportage in Panorama 3*-, dass diese Prüfungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden, die Unterlagen teilweise unvollständig sind und die Angaben im Antrag nicht den Tatsachen entsprechen.

Allerdings ist die Abfertigung der Transporte nicht nur allein nach der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 zu beurteilen, sondern auch nach unserem nationalen Tierschutzgesetz. Die Verordnung (EG) Nr. 1 /2005 regelt lediglich die Bedingungen des Transports der Tiere, nicht aber die Bedingung, unter denen Tiere in Staaten außerhalb der EU geschlachtet werden dürfen. Diese Schlachtung widerspricht erwiesenermaßen unserem Tierschutzgesetz, so dass der Genehmigung des Transports unser Tierschutzgesetz entgegensteht. Genau aus diesem Grund hat sich beispielsweise die Unionsfraktion schon 2018 im Agrarausschuss des Bundestages eindeutig gegen Exporte von Tieren zur Schlachtung in Nicht-EU-Länder ausgesprochen.

Somit dürfte doch klar sein, dass Lebendtiertransporte in Tierschutz-Hochrisikostaaten tatsächlich nur zu Zucht- und nicht zu Schlachtzwecken durchgeführt werden dürfen. Soweit es um die Versorgung der Bevölkerung im Drittland mit Fleisch geht, wäre allein schon unter dem Gesichtspunkt des in Artikel 20a GG verankerten Staatsziels Tierwohl der Transport von Fleisch dem Lebendtiertransport vorzuziehen.

Die abfertigende Stelle steht somit in der Pflicht, die tatsächliche Bestimmung des Tieres im Drittland zu prüfen, einen „Etikettenschwindel“ als solchen auch zu erkennen und in letzter Konsequenz den Transport des Tieres nicht abzufertigen.

Beigefügtem Aufsatz der Akademie für Tierschutz ist zu entnehmen, dass in o.a. Drittländern heimische Rassen an die dortige Hitze, den Wassermangel und das nährstoffarme Futter besser adaptiert sind als europäische Rassen. Auch können europäische Rinderrassen nur mit sehr gutem Management im Drittland erfolgreich gehalten werden. Diese Strukturen besitzen o.a. Drittländer –insbesondere bzw. gerade in Krisengebieten- oft nicht. Nicht ohne Grund wurde im o.a. Beitrag von Panorama 3 empfohlen, sich die Zielländer über google earth einfach mal anzusehen. Viele Länder importieren seit Jahren Rinder zur Milcherzeugung, aber weder die Anzahl der gehaltenen Milchkühe steigt noch die Nachfrage nach Milch. Nur die Nachfrage nach Rindfleisch wächst.

Die oftmals angeführten höheren Preise für Zuchttiere gegenüber Schlachttieren spielen de facto keine Rolle in den Aufnahmeländern, da die Importe dort teilweise stark subventioniert werden, die Fleischpreise dort gar nicht mit unseren vergleichbar sind und sich dort eine Industrie (mit Rückexport in die EU) um die Verarbeitung des „5. Viertels“ aufgebaut hat: z.B. die Lederwarenindustrie der Türkei. All das geht in die gesamtwirtschaftliche Bilanzierung der Aufnahmeländer ein und so lohnt sich auch noch der Import von teuren Zuchttieren für die Erzeugung von Fleisch, welches nach den jeweiligen „religiösen Anfordernissen“ erschlachtet wird. In diesen Ländern gibt es schlicht keine Aufzucht von Nachkommen dieser Tiere – sprich Kälber, die den Zuchtcharakter dieser Importe belegen würden – diese Kosten werden deshalb ja auch noch eingespart. Es dauert mehr als 2 Jahre, die überhaupt nicht standortangepassten Tiere aufzuziehen, bevor sie wiederum Milch (und Kälber) geben. Dafür fehlt allein schon die Futterbasis, die in der Regel nicht einmal für die spärlich vorhandene Milcherzeugung im Land ausreicht.

Beenden möchte ich mein Anliegen mit einem Zitat von Edgar Verheyen aus seiner Reportage „Tiertransporte gnadenlos“ **: „Ich hatte nicht erwartet, dass es Transportfirmen und auch Veterinärbehörden gibt, die sich derart offenkundig über Recht und Gesetz hinwegsetzen, vielleicht weil Wirtschaftlichkeit in deren Augen vor Tierschutz geht ? Langzeittiertransporte vor allem nach Nordafrika, Zentralasien und die Nahen und den Mittleren Osten sollten deshalb ein Ende haben.“

*https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Fragwuerdige-Rindertransporte-Was-wissen-Aufsichtsbehoerden,rindertransport102.html

**https://www.ardmediathek.de/daserste/video/reportage-und-dokumentation/tiertransporte-gnadenlos-ab-12-jahren-viehhandel-ohne-grenzen/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3JlcG9ydGFnZSBfIGRva3VtZW50YXRpb24gaW0gZXJzdGVuLzI3ZmY2MGZjLTdlNjItNGViMy1iZDQzLTU1MjlhMWY2OGQyNQ/

Der Landkreis antwortete uns daraufhin am 30.03.2021 sinngemäß wie folgt:

Der Kreisausschuss des Landkreises Aurich habe sich am 17.03.2021 unter Tagesordnungspunkt 8 mit der Anregung bzgl. Tiertransporte in Tierschutz-Hochrisikostaaten befasst.

Das Veterinäramt für den Landkreis Aurich und die Stadt Emden hätten zu der Anregung eine Stellungnahme abgegeben, die allen Kreistagsabgeordneten im Rahmen einer Beschlussvorlage zur Verfügung gestellt worden sei.

In der Stellungnahme sei unter anderem erklärt worden, dass durch die kommunalen Veterinärbehörden, bei denen Tiertransporte abgefertigt werden, lediglich das geltende Recht gemäß der EU-VO 1/2005 bestehe, Tiertransporte zu überprüfen. Dies habe auch die zuständige Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast in der Plenarsitzung am 18.02.2021 im niedersächsischen Landtag erklärt. Für pauschale Exportverbote einzelner Länder bestehe hingegen keine Rechtsgrundlage. Demzufolge können in alle Länder Tiere exportiert werden.

Das bestätige u.a. auch das Verwaltungsgericht Oldenburg und auch Osnabrück in seinen jeweiligen Entscheidungen im Sommer 2020. Ein ursprünglich durch den Landkreis Aurich aufgrund der gültigen Erlasslage nicht genehmigter Tiertransport in einen Drittstaat musste genehmigt werden. Die Kosten für das Verfahren habe der Landkreis zu tragen gehabt. Der Erlass des niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gab damals nach Auffassung des VG Oldenburg keine Grundlage dafür, Transporte, bei denen alle entsprechenden Voraussetzungen erfüllt waren, nicht zu genehmigen. Der Landkreis Aurich habe die gesetzliche Verpflichtung, Tiertransporte zu genehmigen, sofern alle tierschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien.

Das Urteil des OVG Köln vom 10.12.2020 (AKZ: 20 B 1958/20 sowie 21 L 2339/20 Köln) stelle zudem klar, dass lediglich eine abstrakte Gefahr eines möglichen Tierschutzvergehens in einem Exportland wie z.B. Marokko nicht ausreichend sei, um einen Transport in ein solches Land zu unterbinden. Erforderlich für eine Untersagung ist hingegen das Vorliegen einer konkreten (Tierschutz-) Gefahr.

Eine weitere inhaltliche Diskussion habe nicht stattgefunden. Die Stellungnahme wurde seitens der Abgeordneten des Kreisausschusses zur Kenntnis genommen.

Am 08.04.2021 haben wir gegenüber dem Landkreis Aurich wie folgt Stellung bezogen:

Sehr geehrter Herr Meinen,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30.03.2021 –I/10-50- mit welchem Sie über die Behandlung meiner Anregung an den Kreistag zu Tiertransporten in Tierschutz-Hochrisikostaaten informieren.

Aus meiner Sicht hat der Kreistag bzw. der Kreisausschuss die Anregung nicht behandelt. Ich habe angeregt, beantragte Abfertigungen von Tiertransporten in Tierschutz-Hochrisikostaaten abzulehnen, soweit nicht eindeutig nachgewiesen ist, dass die Tiere im Zielland auch Zuchtzwecken zugeführt werden.

Eine Antwort hätte entweder lauten können:

„Ja, wir folgen Ihrer Anregung und werden künftig beantragte Abfertigungen von Tiertransporten in Tierschutz-Hochrisikostaaten ablehnen, soweit nicht eindeutig nachgewiesen ist, dass die Tiere im Zielland auch Zuchtzwecken zugeführt werden.“ oder „Nein, wir folgen Ihrer Anregung nicht und werden künftig beantragte Abfertigungen von Tiertransporten in Tierschutz-Hochrisikostaaten nicht ablehnen, soweit nicht eindeutig nachgewiesen ist, dass die Tiere im Zielland auch Zuchtzwecken zugeführt werden.“

Stattdessen führen Sie aus, dass lediglich die EU-VO 1/2005 bei der Abfertigung zu prüfen sei, dass keine pauschalen Exportverbote für einzelne Länder bestehen und verwiesen auf in vorläufigen Rechtsschutzverfahren gefasste Beschlüsse, welche nicht nur einzelfallbezogen, sondern auch in Eilverfahren nach Aktenlage (ohne mündliche Verhandlung oder Beweisaufnahme) gefasst wurden.

Hierbei wird verkannt, dass die EU-VO 1/2005 erst zur Anwendung kommt, wenn tatsächlich Tiere transportiert werden, die im Zielland auch Zuchtzwecken zugeführt werden. Der Transport von Schlachttieren in Tierschutz-Hochrisikostaaten ist ausgeschlossen, da dies einen klaren Verstoß gegen das Staatsziel Tierschutz, also unsere Verfassung darstellen würde.

So auch ganz deutlich unsere Landwirtschaftsministerin Frau Otte-Kinast in der Plenarsitzung am 18.02.2021 auf die Frage des Abgeordneten Hermann Grupe, der betonte, „dass wir alle uns ja einig sind, dass wir keine Schlachttiertransporte wollen“: „Natürlich . In meinen Augen geht es hier um einen Zuchttiertransport, einen Transport von Zuchttieren in andere Länder.“

Da meine Anregung im Ergebnis nicht behandelt wurde, werde ich die Angelegenheit zur rechtlichen Prüfung der Kommunalaufsichtsbehörde beim Nds. Ministerium für Inneres und Sport vorgelegen.

Gleichzeitig haben wir uns am 08.04.2021 wie folgt an das Nds. Innenministerium gewandt:

Ich bitte um Prüfung, ob der Landkreis Aurich meine Anregung vom 10.02.2021 ordnungsgemäß behandelt hat. Meine Anregung und die Antwort an den Landkreis sind u.a.; das Schreiben des Landkreises vom 30.03.2021 ist als Anlage beigefügt.

Simone Oppermann, LaVo Niedersachsen