Auslandstierschutz – Eine Reise nach Albanien

Albanien, ein Land auf dem Balkan zwischen Montenegro und Griechenland, mit seiner Fläche etwas kleiner als Belgien und mit rund 2,8 Millionen nur ein paar Einwohner:innen mehr als Schleswig-Holstein. Viele Strände entlang der Adria und des Ionischen Meeres, das Landesinnere durchzogen von den albanischen Alpen. Ein Land voller Kultur, geprägt von den unterschiedlichsten Einflüssen der sehr bewegten Geschichte und mit zahlreichen archäologischen Stätten. Ein Land, welches über viele Jahrzehnte als „Volksrepublik Albanien“ mit wechselnden Bündnissen zwischen Moskau, Belgrad und Peking von einem zunehmend paranoiden Diktator mit einem buchstäblichen Betonbolschewismus bis in die 1990er Jahre in die europäische Isolation getrieben wurde. Auch wenn die Armut in den vergangenen beiden Jahrzehnten deutlich zurückgegangen ist, weist es mit etwa 20 Prozent laut Weltbank weiterhin die höchste Armutsrate der Region auf, die vor allem alte Menschen und Angehörige von Minderheiten betrifft. Albanien ist bereits NATO-Mitglied und strebt gemeinsam mit dem Nachbarland Nordmazedonien eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union an, seit 2022 laufen hier Beitrittsverhandlungen.

Schmusen oder Arbeiten? Beides musste unter einen Hut gebracht werden.

Rund 12 Jahre ist es her, dass ich das erste Mal in Kontakt mit diesem Land kam, damals in Form einer Rundreise. Einige Jahre zuvor wurde von der gebürtigen Schweizerin Maria Cristina Medina-Casanova mit der Tierhilfe Tirana die erste vom Staat anerkannte Tierschutzorganisation gegründet. Die Tierhilfe stellt aktuell dort die einzige Alternative zu den landesweit aktiven Tötungsstationen dar. Maria und ich lernten uns damals eher flüchtig kennen, zuvor hatte ich in der Reisegruppe einige Spenden für das Tierheim nahe der Hauptstadt Tirana gesammelt. Obwohl ich schon damals ehrenamtlich im Vorstand eines Tierheims im Rheinland war und in dieser Funktion schon zahlreiche Tierschicksale erlebt hatte, schockierte mich die Situation vor Ort. Während der Reise quer durch das Land konnten wir nicht nur einmal tote Tiere von der Katze bis zum Esel am Straßenrand liegen sehen. Maria und ich blieben über die Jahre in Kontakt und im Mai 2023 konnte ich endlich meinen lang gehegten Plan umsetzen direkt nach Albanien zu reisen, um tatkräftig einige Tage vor Ort mithelfen zu können.

Eingang zum Tierheimgelände

Ein ganzes Stück vor den Toren der Hauptstadt liegt das Gelände der Tierhilfe, umgeben von hohen Mauern und eher unscheinbar, ganz ohne die aus Deutschland gewohnten Hinweisschilder zum nächsten Tierheim. Maria und ihr Mann Klodi betreiben das Tierheim auf dem rund 15.000qm großen Grundstück seit etwa 10 Jahren, dem vorausgegangen waren zahlreiche (und nicht freiwillige) Umzüge. In einem kurzen Rückblick erzählte mir Maria sichtlich bewegt von den Anfängen ihres Tierschutzengagements ins Albanien, welches sie fast das Leben gekostet hätte. So wurden ihr von aufgebrachten Menschen die Zähne eingeschlagen und sie sollte an einem Baum aufgehängt werden. Nur der Einsatz einer Freundin aus der deutschen Botschaft konnte Rettung in wortwörtlich letzter Sekunde schaffen. An diese traumatischen Erlebnisse schließt sich nahtlos das Anzünden eines vorherigen Tierheimgeländes an, bei dem zahlreiche Tiere den Tod fanden. Woher dieser Hass fragen sich sicher viele, die diese Zeilen lesen? Genau diese Frage stellte ich auch Maria, die mir die Situation mit dem geringen Stellenwert der Tiere in diesem Land erklärte, in dem durch traditionalistische Strukturen auch Frauen weit von einer gelebten Gleichberechtigung entfernt seien. Ein Land, in dem es vielen Menschen wirtschaftlich schlecht geht und wo das Verständnis fehlt, wie man sich dann für Tiere einsetzen kann. Tiere gelten dort für viele Menschen als „Werkzeug“, können sie ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen (Transport schwerer Lasten, Bewachung des Grundstücks) so wird ihnen das Futter entzogen oder es wird anderweitig versucht sie loszuwerden.

Neben Hunden, Katzen, Ziegen, Pferden und Hühnern gibt es auch zahlreiche Esel.

Zum Zeitpunkt meines Besuches befanden sich auf dem Gelände rund 500 Tiere, davon etwa die Hälfte Hunde. Darunter tierische Schicksale, die jedem Besucher Tränen in die Augen steigen lassen: von Eseln mit abgeschnittenen Ohren, Hunde, die abgegeben wurden, weil sie mit nur drei Beinen keinen Wert mehr für den Besitzer hatten, Pferde, die mit Eisenstangen verprügelt wurden und Hunde, die als Welpen ein zu nährstoffarmes Futter bekamen und deswegen Fehlbildungen der Knochen aufweisen. Über die letzten Jahre konnte Maria mehrere Tausende davon in ein neues Zuhause vermitteln, ein Großteil der Tiere dort ist aufgrund seiner Behinderungen oder des hohen Alters jedoch unvermittelbar. Diese Tiere dürfen bis zu ihrem natürlichen Lebensende im Zentrum verbleiben.  Die Vermittlungen ins europäische Ausland belaufen von Anfang an auf einem niedrigen Niveau von rund 100 Tieren, wovon nur etwa 30–40 nach Deutschland gekommen sind. Ein Grund dafür sind die extrem hohen damit verbundenen Kosten für ärztliche Untersuchungen (Titerbestimmungen, Impfungen, Chip usw.), Quarantäne und Flug. Zahlreiche Low-Cost-Carrier nehmen keine Tiere aus dem Land mit, sodass dies ausschließlich über Fluglinien wie die Lufthansa möglich ist.

Aufgrund der Auflagen des albanischen Staates als registrierter, gemeinnütziger Tierschutzverein darf Maria keine Vermittlungsgebühren für die Tiere verlangen. Der Betrieb ist also vollständig auf Spenden angewiesen. Ein Förderverein in der Schweiz hilft dabei, einen Großteil der Kosten zu decken. Durch stetige Kostensteigerung spitzte sich die finanzielle Situation in den letzten Monaten aber stetig zu, sodass zum aktuellen Zeitpunkt ein Weiterbetrieb des Tierheims nicht gesichert ist. Im Vorfeld meiner Reise konnte ich im Familien- und Freundeskreis sowie bei vielen Parteimitgliedern Spenden sammeln und so Maria und ihrem Team 1.500 € übergeben. Eine Summe, die für 54 Säcke Hundefutter und somit für rund 9 Tage reicht. Der Tierheimbetrieb verursacht jeden Monat an die 15.000 Euro Kosten, die auf Futter, Pacht, Strom/Wasser, Tierarzt und die vier Angestellten entfallen. Um noch eine Statistik zu bemühen: Insgesamt fallen rund 15 kg „Hinterlassenschaften“ jeden Tag auf Neue an, welche über die albanische Müllabfuhr kostenpflichtig entsorgt werden muss.

An heißen Tagen verdunstet das Wasser oft schneller als dass es die Tiere trinken können.

Meine Hauptaufgabe der ersten Tage bestand daraus, die Wassertröge der Hunde zu reinigen und neu zu befüllen, obwohl erst Mai, brannte die Sonne am wolkenlosen Himmel schon mit weit über 20 Grad. In den Sommermonaten steigt die Hitze dabei regelmäßig auf über 40 Grad an. Ebenfalls ungewohnt für einen Besucher aus Deutschland: Die Gefahr von Giftschlangen und Skorpionen, für die aber spezielle Duftstoffe rund um das Gelände ausgelegt sind, um diese fernzuhalten. Was ich dabei erlebte waren zwei Arten von Hunden: Einige schüchterne und ängstliche Tiere, aber der Großteil absolut menschenbezogen, freundlich und verspielt, sodass rund 80 % meiner Arbeit in den Zwingern eher aus dem Streicheln bestand. Die überwiegende Mehrzahl der Tiere sind dabei in Rudeln von 3 bis 7 Tieren untergebracht. Dass bei 500 Tieren nur sehr wenig Zeit für individuelle Streicheleinheiten bei einem Team von nur 5 Personen besteht, sollte wohl jedem nachvollziehbar sein. Maria erklärte mir, dass sie fast alle Hunde an ihrem Bellen erkennen kann, um so schnell einschreiten zu können, falls es doch mal zu Streitigkeiten untereinander kommen sollte. Anders als zunächst zu erwarten wäre, sind die freundlichsten und verträglichsten Hunde direkt in den Zwingern rund um die Außenmauern untergebracht – Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass häufig Tiere aller Art (neben Hunden auch Katzen oder Kaninchen) über die Mauern geworfen werden und deswegen sitzen dort genau die friedfertigsten Hunde.

Spendenübergabe vor Ort

Albanien ist ein Land, was mir persönlich wieder einmal deutlich gemacht hat, dass Tierschutz nicht vor Landesgrenzen haltmachen darf und gerade in Süd- und Ost-Europa bei Mitgliedsstaaten der EU, aber auch bei Beitrittkandidaten ein größerer Fokus auf eine Angleichung an europaweite Standards gelegt werden muss. Hier geht es um nicht weniger als Leben und Tod für viele Tiere vor Ort! Diese Bemühungen auf europäischer Ebene sollten einen vollständigen Verzicht auf Tötungsstationen, der Förderung von regionalen Tierschutzvereinen und breit angelegten Kastrations-, Bildungs- und Aufklärungskampagnen beinhalten. Aktuell arbeiten wir an der Gründung eines deutschen Fördervereins, um die Arbeit von Maria und Klodi finanziell noch besser absichern und unterstützen zu können.

(se)