Auswertung der Berliner Wahlen

Zeitgleich mit der Bundestagswahl wurden in Berlin das Landesparlament – dort „Abgeordnetenhaus“ genannt – und die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen neu gewählt.

Unter den Sonstigen erreichte die Tierschutzpartei mit 2,2 % das beste Ergebnis und verbesserte sich gegenüber der vorigen Wahl um 0,3 Prozentpunkte. Musste sie sich hinsichtlich des Status der stärksten Kraft unter den außerparlamentarischen Parteien damals noch der „Die PARTEI“ geschlagen geben, so erleiden letztere leichte Verluste. Für die Satirepartei ist dies besonders bitter, zumal eine Umfrage von 2018 sie in Berlin bei vier Prozent gesehen hatte. Möglicherweise spielt dabei der wachsende parteiinterne Unmut über den Europaparlamentarier und Langzeit-Vorsitzenden Martin Sonneborn eine Rolle, der sich bereits im Parteiaustritt des anderen EU-Parlamentariers Nico Semsrott widerspiegelte.

Zweitbestes Landtagswahlergebnis in der Parteigeschichte

Zwei Umfragen vor der Wahl sahen die Tierschutzpartei bei drei Prozent, wodurch der Einzug in das Abgeordnetenhaus durchaus realistisch erschien. Dieser Wert bei einer Umfrage gelang für eine Landtagswahl das erste Mal in der Parteigeschichte! Zur Europawahl 2019 ergab eine Berliner Umfrage auch bereits 3 % für uns. Das Potenzial in Berlin ist für uns also sehr groß. Angesichts dessen wirkt das Resultat von 2,2 % wie eine leichte Enttäuschung.

Womöglich hat das in den Umfragen prognostizierte Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und GRÜNEN als stärkste Kraft manche:n potentiellen Wähler:in dazu veranlasst, taktisch abzustimmen, das heißt, am Ende doch das Kreuz bei den GRÜNEN zu machen. Und generell überlagerte der Bundestagswahlkampf, den die großen Parteien dominierten, den gesamten Wahlkampf. Zusätzlich erschwerten diverse Nichtwahlaufrufe das Ziel eines Einzugs in das Abgeordnetenhaus. Insbesondere in den Wahlbezirken mit hohen CDU- und GRÜNEN-Ergebnissen schnitten wir schlecht ab. Dass wir in CDU-Hochburgen wenig Stimmen erhalten, ist selbsterklärend. Die niedrigen Ergebnisse in den traditionellen GRÜNEN-Hochburgen könnten zum kleinen Teil auch auf die Nichtwahlaufrufe gegen uns und die allgemeine Einschätzung dieser Wahlen als Klimawahl und das mangelnde Wissen über den Zusammenhang zwischen Tierschutz und Klimapolitik zurückzuführen sein. Trotzdem stellt es für die Tierschutzpartei nach dem Resultat von Brandenburg 2019, als 2,6 % heraussprangen, das zweitbeste Ergebnis bei einer Landtagswahl dar.

Es fand ein nahezu flächendeckender Antritt von Kandidierenden in den 78 Abgeordnetenhaus-Wahlkreisen statt, was ebenfalls Anzeichen für eine positive Entwicklung ist. Bei den Erststimmen erzielten wir durchschnittlich 3,5 % und in zwei Wahlkreisen erreichten wir gar sogar über 6 % der Erststimmen.

Interessant ist der Vergleich mit der Abgeordnetenhauswahl 1999, als wir zum ersten Mal zur Wahl des Berliner Landesparlaments antraten. Wir erreichten damals 1,1 % berlinweit, was eine Verdoppelung unseres prozentualen Ergebnisses bedeutet. Wir erhielten damals 16.732 Stimmen und in diesem Jahr 40.128 Stimmen, in absoluten Zahlen also eine deutliche Verbesserung. Jedoch war der Zuwachs regional sehr unterschiedlich. So unterschieden sich die einzelnen Wahlkreisergebnisse 1999 nur unwesentlich vom landesweiten Ergebnis, es gab kaum ausgeprägte Hochburgen. Die Entwicklung: Einige Wahlkreis hatten 2021 dasselbe Ergebnis wie 1999, während vor allem diejenigen Wahlkreise, die 1999 leicht überdurchschnittlich abschnitten, einen besonders hohen Stimmenzuwachs zur diesjährigen Wahl verzeichneten. Die Tierschutzpartei hat demnach über die Jahre ein bestimmtes Wähler:innenprofil in Berlin herausgebildet und ihr landesweites Wachstum kann bestimmten Hochburgen zugeschrieben werden.

Bei der gleichzeitig stattgefundenen Bundestagswahl erreichten wir 2,5 % der Zweitstimmen und sogar 2,7 % der Erststimmen. Lediglich in Treptow-Köpenick waren die Erststimmenanteile geringer als die der Zweitstimmen, was vermutlich am Mitbewerber Gregor Gysi lag. Der Zuwachs bei den Zweitstimmen war 1,1 Prozentpunkte.

Erfolg bei den Bezirksverordnetenversammlungen mit landesweit 3,1 % und 9 Sitzen

Bei den zeitgleich stattfindenden Bezirksverordnetenversammlungen, bei denen ebenfalls ein flächendeckender Wahlantritt erfolgte und bei denen eine Drei-Prozent-Hürde gilt, gelang der Tierschutzpartei in den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Spandau und Treptow-Köpenick der Einzug. Landesweit konnte mit 3,1 % ein Rekordergebnis für die Partei erzielt werden. Noch nie wurde ein so gutes landesweites Ergebnis erreicht!

In Marzahn-Hellersdorf werden wir mit einem Ergebnis von 5,0 % und drei Abgeordneten sogar eine eigene Fraktion bilden, in den drei anderen werden wir mit je zwei Sitzen vertreten sein. Das beste Wahlkreisergebnis erhielten wir mit 6,6 % in Marzahn-Hellersdorf 3. In den übrigen acht Bezirkswahlen scheiterten wir meist sehr knapp an der Sperrklausel, so etwa in Neukölln mit 2,9 %. Besonders heraus sticht auch das Wahlergebnis im Bezirk Reinickendorf. Wir scheiterten mit 2,8 % um Haaresbreite am Einzug, was dort durch den Wahlantritt einer vom Namen her konkurrierenden Partei begünstigt wurde, die auf 0,8 % kam und der Tierschutzpartei die entscheidenden Stimmen wegnahm. Einmal mehr zeigt sich hier der Schaden, der durch Parteineugründungen ehemaliger Mitglieder der Tierschutzpartei angerichtet wird.

Ergebnisse der anderen Parteien

Spannende Frage war vor allem, ob die SPD stärkste Partei bleibt, oder ob die GRÜNEN nach Baden-Württemberg es in einem weiteren Bundesland schaffen, stärkste Partei zu werden. Bei der SPD gab es eine personellen Rochade: Der amtierende Regierende Bürgermeister Michael Müller, der nie an das Charisma seines Vorgängers Klaus Wowereit herangekommen war und vor fünf Jahren mit dem niedrigsten Ergebnis, das einer Partei ausreichte, um bei einer Landtagswahl stärkste Kraft zu werden, gewonnen hatte, entschloss sich zu einer Kandidatur für den Bundestag. Im Gegenzug wurde die frühere Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zur Spitzenkandidatin bestimmt, die mit der Hypothek in den Wahlkampf ging, dass ihr im Juni der Doktorgrad entzogen worden war.

Bei der ARD-Prognose um 18 Uhr sah in der Tat alles danach aus, dass die GRÜNEN dieses Mal stärkste Partei werden würde, ZDF hingegen sah die SPD knapp vorne. Im Laufe des Wahlabends zeigte sich dann aber, dass die SPD erneut Platz eins erreicht hat – mit einem Ergebnis, dass ihr mäßiges, „siegreiches“ Abschneiden von 2016 nochmals geringfügig unterbietet. Die CDU konnte leicht zulegen, landet jedoch erstmals hinter den GRÜNEN, die auf knapp 19 Prozent kommen.

LINKE und FDP verlieren leicht, während sich das Ergebnis der AfD fast halbierte. Genau wie das Ergebnis von fünf Jahren zuvor wird das nahe Beieinanderliegen der Parteien erneut ein Dreierbündnis erfordern. In welcher Konstellation, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. Der Berliner „Großstadtdschungel“ in der Parteienlandschaft verfestigt sich somit, denn in keinem anderen Bundesland liegen die politischen Kräfte hinsichtlich des Wählerrückhalts so eng aneinander wie in der Bundeshauptstadt.

Die kartografische Auswertung der Berliner Wahlen vom Tagesspiegel zeigt auch nochmal die Zusammenhänge zwischen sozialer Situation und Wahlentscheidung. So wurden CDU und FDP dort gewählt, wo ältere und materiell abgesicherte Menschen wohnen, die Grünen und Linken wurden dort gewählt, wo jüngere Menschen wohnen. Die SPD wurde vor allem von Älteren und die AfD vor allem von Menschen in sogenannten prekären Stadtteilen, also in Gegenden mit vielen SGB-II-Beziehenden, gewählt. Die Tierschutzpartei hat in Berlin vor allem dort Zuspruch, wo besonders viele junge Menschen und zugleich viele SGB-II-Beziehende wohnen. Am wenigsten wird die Tierschutzpartei dort gewählt, wo eher Ältere und eher materiell abgesicherte Menschen wohnen.

Fazit und Aussicht

Die Berliner Tierschutzpartei wird in den kommenden Jahren ihre Bekanntheit noch weiter ausbauen und zur Abgeordnetenhauswahl 2026 – wenn der Wahlkampf nicht durch eine Bundestagswahl überlagert sein wird – den Einzug mit größerer Erfolgsaussicht ansteuern. Hierfür rufen wir insbesondere alle Tierrechtler:innen, Tierschutzinteressierte und Klimaaktivist:innen auf, uns tatkräftig dabei zu unterstützen – Berlin hat eine starke Tierschutzpartei verdient, Berlin kann Tierschutz-Hauptstadt werden!

 

Martin Gramer, Robert Gabel