Die Turniersaison hat begonnen, das Weltfest des Pferdesports, der CHIO in Aachen, und die diesjährigen Weltreiterspiele in Frankreich stehen vor der Tür. Vor wenigen Wochen hat „Wunderpferd“ Totitals (Kaufpreis ca. 10.000.000 Euro) sein Comeback antreten müssen. Unmittelbar vor dem Einreiten in das Prüfunfsviereck wurde das Pferd von seinem Reiter vor laufender Kamera mit Sporentritten traktiert.
Der Reit- und Pferdesport ist ein Milliardengeschäft und hat nichts mit Liebe zu tun. Pferde sind keine selbstbestimmten Athleten, das muss man sich immer vor Augen halten. Bei vielen Reitern und Trainern sind die üblichen Vorgehensweisen, Pferde durch Zwang und Drill zum Sporttier abzurichten, so offensichtlich wie oben beschrieben, bei anderen Reitern siegt der Schein von Harmonie. Doch wahre Harmonie zwischen Reiter und Pferd gibt es in diesem vermeintlichen Sport nicht, die treffende Beschreibung lautet: Gehorsam und Unterwerfung des Pferdes durch Dominanz und Einwirkung des Reiters.
Der Pferdemarkt in Deutschland ist riesig. Mehrere zehntausend Pferde werde über große Internetmärkte und Zeitschriften zum Verkauf angeboten. Rechtsanwälte spezialisieren sich auf das „Pferderecht“ und die sie sogenannte Beweislastumkehr. Wenn ein Pferd nach dem Kauf innerhalb einer bestimmten Frist einen gesundheitlichen Schaden aufweist, möchten die neuen Besitzer dieses Pferd nicht mehr haben, da es ihrem Nutzungsanspruch nicht entspricht. Die Pferderückgabe an den Vorbesitzer (oder ein Umtausch des Pferdes), wird mit Hilfe eines fachkundigen Juristen vor Gericht versucht durchzusetzen. Die aktuelle Gesetzesgrundlange für den Tier- und Pferdehandel ist erschreckend. Menschenhandel gilt als kriminell, Pferdehandel hingegen als schick.
Neben dem häufig unvorstellbaren Leid der Sport- und Schulpferde, handelt es sich in diesem umstrittenen Gewerbe ebenso um die Geringschätzung von Menschen. Denn für „untergeordnete“ Arbeiten, wie dem tägliche Misten der Pferdeboxen, werden Arbeiter oft ausgenutzt und ausgebeutet. Es werden Hungerlöhne gezahlt, es herrscht ein rauher Umgangston. Wer nicht spurt, der fliegt. Akkordarbeit mit Pferden lautet der Arbeitsalltag in den meisten Reit- und Ausbildungsställen.
Nach meinem eigenen Ausstieg aus dem Reitsport habe ich einige Jahre in einem Turnierstall einfache Dienstleistungen angeboten, wie das tägliche Rausbringen der Pferde auf die Weide/ Paddock (viele Pferde durften gar nicht raus, andere nur für 30 bis 60 Minuten wegen Verletzungsgefahr). Es war Normalität, wenn mir eine Pferdebesitzerin heute sagte, dass sie ihren Wallach übermorgen in einen anderen Stall bringt, wo er zum Verkauft vorbereitet wird, da sie selber ein neues, „viel besseres“ Pferd erworben hat. Dementsprechend hatte ich nie eine tiefere Beziehung zu den Pferden der Fremden aufgebaut, es war ein Kommen und Gehen. Sportpferde sind Nummern, abgestempelt mit hochkarätigen Namen wie „Society Lady“, „Statesman“ oder „Diamant“.
In meinem Buch „Was Sie über Reitsport und Turnierpferde wissen sollten – Aussteiger decken auf“, erschienen im Reichel Verlag, berichte ich offen und ehrlich über die Hintergründe und Praktiken im Turniersport. Ich selber war viele Jahre Anhängerin der Reitsportszene – ehrgeizig, überheblich und unbelehrbar was Kritik anging. Doch ich musste durch äußere Umstände vom hohen Ross absteigen und habe den Ausstieg geschafft, so wie einige andere auch, die im Buch zu Wort kommen. Früher oder später wird der Reit- und Pferdesport der Vergangenheit angehören, davon bin ich überzeugt. Jeder kann es schaffen, sich der Unterdrückung von Pferden, Tieren und Menschen abzuwenden.