Die Corona-Pandemie ist eine enorme Herausforderung für die Regierungen aller betroffenen Länder. Es müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden, und es gilt, bei den Maßnahmen zwischen Gesundheitsschutz einerseits und Gefahren für die Wirtschaft und das soziale Zusammenleben andererseits abzuwägen. Fast überall kommt es zu befristeten Einschnitten in die Freiheitsrechte von Menschen. Ziel ist es, die Infektionskurve abzuschwächen, damit die Kapazitäten für die Behandlung von Schwererkrankten nicht gesprengt werden. Einige Länder setzen bei ihren Strategien eher auf striktes Containment, andere versuchen den Weg der kontrolliert abgegremsten Herdenimmunisierung, viele sogenannte Entwicklungsländer können leider gar keine wirksame Strategie umsetzen.
Bedauerlicherweise kommt es kaum zu einer globalen Abstimmung in dieser letztlich die gesamte Menschheit betreffenden Frage. Bereits Ende Januar hatte die Weltgesundheitsorganisation einen internationalen Notstand ausgerufen – das stärkste politische Mittel, welches der WHO zur Verfügung steht. Allerdings sind die damit einhergehenden Handlungsempfehlungen nicht rechtlich bindend. Die WHO verfügt über keine Sanktionsmaßnahmen gegen nationale Regierungen, die ihre Empfehlungen ignorieren. Viele Länder, allen voran Schweden, die USA und Großbritannien, haben das Problem wochenlang heruntergespielt.
Doch es fehlt nicht nur an globaler Abstimmung – selbst innerhalb der EU kann man sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Beängstigend ist nicht nur ein Zuwenig, sondern auch ein Zuviel an angeblichen Abwehrmaßnahmen. So ist das von der ungarischen Regierung eingebrachte Notstandsgesetz, das Orban ermöglichen könnte, unbegrenzt per Dekret zu regieren, eine eindeutige Instrumentalisierung der Corona-Krise und dient einzig dem Zweck, den Demokratie-Abbau in Ungarn voranzutreiben.
Ebenso kritikwürdig ist der Umgang mit Minderheiten in mehreren Ländern Osteuropas. Insbesondere Roma werden zu Sündenböcken für das Virus gemacht. In Rumänien, Ungarn, der Slowakei, in Österreich, den Westbalkan-Staaten, Serbien und Albanien kommt es zu schlimmen Diskriminierungen. In Bulgarien haben Behörden bereits Roma-Wohnsiedlungen abgeriegelt, in denen insgesamt mehr als 50.000 Menschen leben.
Skandalös ist auch, dass sich die humanitäre Krise in griechischen Flüchtlingslagern drastisch verschärft, aber aus dem öffentlichen Bewusstsein mehr und mehr verschwindet. Trotz Corona muss Brüssel angesichts der desolaten Versorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Arzneien aktiv werden. Die Geflüchteten in den Lagern müssen dringend versorgt und so untergebracht werden, dass Ansteckungsrisiken auf ein Minimum reduziert werden. Hier müssen die EU-Länder Solidarität zeigen und eine Verteilung der Geflüchteten organisieren. Auch darf es nicht sein, dass immer wieder von Rechtsbrüchen durch die griechische Polizei und von rechtsradikalen Angriffen auf die Lager berichtet wird, ohne dass es zu angemessenen Reaktionen kommt.
Gerade mal 50 Kinder aus griechischen Lagern in Deutschland aufzunehmen, reicht nicht aus! Das ist menschenverachtende Symbolpolitik, während zugleich problemlos 200.000 Touristen eingeflogen und 20.000 Erntehelfer geholt werden. Die aktuelle Krise offenbart die Fundamente unserer Gesellschaft: die Interessen der Wohlhabenden sind mehr wert als das Überleben der bereits Ausgegrenzten und Ärmsten. Dies wird sich auch noch zeigen, wenn die Bilanz der Corona-Pandemie in den Entwicklungsländern gezogen werden wird: niemand hilft dort mit Atemschutzmasken oder Intensivbetten – alle lassen das Massensterben einfach zu.
Um es auf den Punkt zu bringen: Wir müssen natürlich dafür sorgen, dass die Menschheit das Corona-Virus besiegt, aber auch verhindern, dass das Virus in einigen Ländern bei Menschlichkeit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit den Sieg davonträgt.
BAK Internationale Angelegenheiten der PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ