Kehrtwende in der Migrations- und Integrationspolitik?

Die Ampel hat sich in der Migrations- und Integrationspolitik einiges vorgenommen. Vieles davon geht in eine eindeutig progressive Richtung und wir können es nur begrüßen:

  • eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, das Einbürgerungen erleichtert und die doppelte Staatsangehörigkeit prinzipiell ermöglichen soll – gerade den Menschen, die einst als sogenannte Gastarbeiter:innen nach Deutschland kamen, wird damit der lange zu Recht eingeforderte Respekt zuteil
  • eine Vereinfachung des Duldungssystems mit Schaffung von mehr Rechtssicherheit und einer konkreten Bleibeperspektive – besonders erwähnenswert ist, dass es kein Arbeitsverbot mehr geben soll
  • eine Erweiterung der Familienzusammenführung unter humanitärer Perspektive
  • ein schnellerer Zugang zu den sogenannten Integrationskursen – hier ist allerdings zu hinterfragen, wie diese fortan gestaltet sind und ob die Teilnahme freiwillig oder verpflichtend ist – Ein positives Signal ist auf jeden Fall, dass die ungute Formulierung „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ durch klare Kriterien ersetzt werden soll
  • ein unbürokratischer Zugang zur Gesundheitsversorgung
  • die Erleichterung der Visa-Vergabe
  • ein Bekenntnis zur zivilen Seenotrettung

Dass die Ampel einen Bruch mit dem bisherigen regressiven System anstrebt, zeigt sich unter anderem in der Abschaffung der AnkER-Zentren – dem Prestige-Objekt des Noch-Innenministers Seehofer. Auch die Betonung humanitärer Standards beim Schutz der EU-Außengrenzen zeichnen einen Kurswechsel vor.

Allerdings soll an Migrationsabkommen mit Drittstaaten festgehalten werden. Und es ist eine sogenannte Rückführungsoffensive geplant – ein Begriff, der aufhorchen lässt. Pro Asyl kritisiert zudem, dass die Ampel „die bis zu 18-monatige Isolierung in den Erstaufnahmeeinrichtungen nicht antastet“. Doch es war wohl nicht zu erwarten, dass alle vernünftigen Forderungen seitens der Verbände Eingang in den Koalitionsvertrag finden. Schon jetzt ist die Kritik der Parteirechten in FDP und SPD unüberhörbar.

Es bleibt abzuwarten, ob die beschlossenen Verbesserungen auch alle praxisnah umgesetzt werden. Und nicht zu vergessen: Entscheidend sind nicht allein die Gesetze, sondern immer auch die Verantwortlichen vor Ort, denen – nicht immer zum Wohle der Menschen – ein gehöriger Ermessensspielraum bleibt.