Keine Lust auf Diskussion mit Tierschützern

Keine Lust auf Diskussion mit Tierschützern“ so betitelte die Ostfriesen Zeitung am 25.09.2020 ihren Bericht über die Podiumsdiskussion im Güterschuppen in Aurich, zu welcher die Kreistagsfraktion der Auricher Grünen für den 24.09.2020 geladen hatte.

Die von der Zeitung zur Gruppe der „Tierschützer“ zusammengefassten Personen waren Miriam Staudte (MdL Bündnis 90/Die Grünen), Dieter Ruhnke (Landestierschutzverband Niedersachsen e.V.) und Dr. Michael Marahrens (Tierarzt, Mitglied der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz).

Die Veranstalter wollten ein Forum bieten, ein sehr emotional besetztes Thema sachlich zu diskutieren, dass die unterschiedlichen Akteure miteinander statt nur übereinander reden. Leider waren weder die Verwaltung des Landkreises Aurich noch der Verein Ostfriesischer Stammviehzüchter, VOST bereit, der Einladung zu folgen und ihre Positionen öffentlich darzulegen.

Offensichtlich eine Reaktion auf die von einigen Beteiligten als bedrohlich empfundene Mahnwache gegen Tiertransporte in Aurich; aber sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass das VG Oldenburg den Landkreis im Rahmen eines vorläufigen Rechtschutzverfahrens erst kürzlich zur Abfertigung eines Transportes in ein Drittland verurteilt hat und die Akteure des Landkreises gegen diese Entscheidung nicht vorgegangen sind. Im Gegensatz zu einer ähnlichen Entscheidung des VG Potsdam wurde die Entscheidung des VG Oldenburg bislang noch nicht in der Öffentlichkeit thematisiert. Inzwischen hat jedoch die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. in ihrer Stellungnahme vom 03.09.2020 festgestellt, dass der Beschluss des VG Potsdam auf einer unrichtigen Auslegung des Artikels 14 der EU-Tiertransportverordnung beruht. Interessant wäre hierzu auch die Meinung des Ministeriums, welches per Erlass Tiertransporte in Drittstaaten vorerst untersagt hat.

Viellicht wären die Verantwortlichen auch in Erklärungsnöte gekommen, weil der Landkreis Aurich einer von den 8 Landkreisen bundesweit ist, der überhaupt noch Tiertransporte in Drittstaaten abfertigt. Sicherlich auch, weil er gerade nicht für jeden durchgeführten Transport die Navigationsdaten abgefragt und auch nicht jedes festgestellte Vergehen geahndet hat, wie sich aus einer Landtagsanfrage der Grünen ergibt. Und: Hat der Landkreis nicht auch Transporte auf der Russlandroute abgefertigt, obwohl schon längst bekannt war, dass es die in den Papieren angegebenen Versorgungsstationen nicht gab bzw. diese nicht nutzbar waren ???

Die Moderatorin Antje Gronewold leitete die Diskussion mit den Worten ein, dass Ostfriesland (traditionsgemäß) schon seit über 100 Jahren Tiere exportiert. Allerdings ist nicht alles, was schon seit vielen Jahren gemacht wird, heute auch noch richtig. Immerhin gab es vor 100 Jahren noch kein Tierschutzgesetz (seit 1972), keine EU-Verordnung über den Schutz von Tieren beim Transport (seit 2005) und keine Aufnahme des Tierschutzes als Staatszielbestimmung im Grundgesetz (seit 2002). Und im Jahr 2020 hat der Deutsche Ethikrat eine stärkere Achtung des Tierwohls in der Nutztierhaltung gefordert.

Während der Diskussion stellte sich immer wieder heraus, dass die gesetzlichen Grundlagen sowie die faktenbasierten Argumente der Politik, des Tierschutzes und der Wissenschaft vom anwesenden Exporteur Uwe Lindena und den zu der Veranstaltung zahlreich erschienenen Milchviehhaltern bezweifelt bzw. nicht wahrgenommen wurden.

In den politischen Gremien auf EU- und auch auf Bundes- sowie Landesebene wurde Einvernehmen erzielt, dass auf einen Transport von Schlachttieren in Drittländer weitestgehend verzichtet werden soll. Aus diesem Grund kann es sich bei den abgefertigten Transporten nur um Zuchttiere handeln. Der Begriff „Zuchttier“ ist dahingehend definiert, dass ein weibliches Tier im Drittland nicht nur abkalben, sondern auch wieder belegt und erneut im Drittland abkalben muss; es reproduziert sich also, so dass ein -den Transport weiterer Tiere entbehrlich machender- Herdenaufbau im Drittland stattfindet. Tatsächlich ist ein Herdenaufbau in vielen Drittländern, insbesondere in den Tierschutz-Hochrisikostaaten -durch die Ausführungen im diary report belegbar- nicht erfolgt. Die deutschen Hochleistungstiere sind den dortigen klimatischen Bedingungen nicht angepasst und es fehlt die Futtergrundlage sowie ein entsprechendes Management vor Ort. Lediglich Israel ist der Aufbau einer Milchviehwirtschaft gelungen; folglich exportiert Deutschland auch keine Tiere mehr nach Israel.

Letztlich ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die nicht dem Herdenaufbau dienenden „Zuchttiere“ somit zeitnah vor Ort geschlachtet bzw. betäubungslos geschächtet wurden und werden. Ein solches Vorgehen wird durch Berichte der NGO’s und die Reportagen von Manfred Karremann sowie Edgar Verheyen bestätigt. Der Export der als „Zuchttier“ deklarierten Tiere entlastet den deutschen Markt (ein anwesender Milchviehhalter führte aus, dass der Verkauf der Tiere dazu diene, den Betreib aufrecht zu erhalten) und ist ein gutes Geschäft, zumal der Import dieser Tiere im Drittland subventioniert wird. Ob diese Subventionen aus anderweitig zweckgebunden Mitteln europäischer Staaten finanziert werden müssen, sollten die politisch Verantwortlichen klären.

Zielsetzung der Veranstaltung war u.a., welche politischen Initiativen notwendig sind, um Transporte artgerechter zu gestalten und wie die Genehmigungspraxis und die Kontrollen effizienter gestaltet werden müssen, um das real existierende Tierleid zu minimieren.

Im Ergebnis könnte dieses Ziel durch eine transparente Vorgehensweise erreicht werden. Dazu wäre mindestens eine Zertifizierung der Routen und Versorgungsstationen im Drittland nach europäischen Standdards sowie eine von der EU verpflichtend einzuführende Überprüfung der tatsächlichen Nutzung der Tiere im Drittland erforderlich. Die von Herrn Lindena vorgelegten Bilder über einen angeblich in Marokko entstandenen Milchviehbetrieb (einen solchen Vorzeigebetrieb hat Edgar Verheyen im Rahmen seiner jüngsten Reportage gesucht aber nicht gefunden) sowie seine persönliche Erklärung, dass bei seinen Transporten noch nie ein Tier verendet ist, erfüllen die an eine transparente Vorgehensweise zu stellenden Anforderungen nicht.

Simone Oppermann, LaVo Niedersachsen