Mehr Durchblick bei Greenwashing und im Siegel-Dschungel

Viele Konsument:innen treffen ihre Kaufentscheidungen inzwischen bewusst unter Einbeziehung von Faktoren wie der Ökologie. Dies bestätigte zuletzt 2021 eine YouGov-Umfrage, in der 60 % der Deutschen angaben, dass der Gedanke der Nachhaltigkeit Ihre Ess- und Einkaufsgewohnheiten beeinflussen würde. Ein enormes Potenzial für Firmen durch gezielte PR- und Marketingmaßnahmen ein „grünes Image“ für das Unternehmen und einzelne Produkte und Dienstleistungen aufzubauen.

Forschende definieren Greenwashing als „eine Form des ökologischen Marketings, das sich auf die ökologische Positionierung von Unternehmen bezieht, wenn diese erhebliche Mittel aufwenden, um Kunden von ihrer Umweltfreundlichkeit zu überzeugen, anstatt sich auf echte Umweltinitiativen zu konzentrieren“.

Andere definiert Greenwashing sogar als die Irreführung der Verbraucher über die Umweltpraktiken eines Unternehmens oder die Umweltvorteile eines Produkts oder einer Dienstleistung. Dabei haben mehrere Studien bereits bewiesen, dass Greenwashing das Vertrauen der Verbraucher*innen in die Produkte und das Ansehen der Unternehmen schädigt.

Greenwashing Beispiele

Das wohl bekannteste Beispiel für bewusstes Greenwashing stellt der VW-Dieselskandal dar: Der Kraftfahrzeughersteller VW warb mit dem saubersten Vierzylinder-Diesel und wollte so den Konkurrenten Toyota mit dessen Hybridfahrzeugen übertrumpfen. In Wahrheit bekamen die VW-Fahrzeuge jedoch eine Software installiert, welche die Abgaswerte mithilfe einer Abschalteinrichtung manipulierte.

Ein anderes Beispiel stellt die Werbekampagne von Krombacher dar (1 Kasten rettet einen Quadratmeter Regenwald). Auch bekannte Textilketten sind mit ihren Kampagnen „H&M Conscious“ sowie „Primark cares“ einem Greenwashing Vorwurf ausgesetzt.

Unbewusstes Greenwashing

Nicht jedes Unternehmen betreibt bewusstes Greenwashing. So können Firmen selber ihren Versprechen bezüglich des ökologischen Handels nachkommen (z. B. Nutzung von Ökostrom, Verwendung von Recyclingpapier, etc.), der „Verstoß“ gegen die Kriterien erfolgt aber außerhalb. So kann beispielsweise der jeweilige Lieferant, welcher Bestandteile des angebotenen Produktes liefert und möglicherweise sogar zertifiziert ist, beabsichtigt oder unbeabsichtigt Auflagen nicht erfüllen und somit auch nicht ökologisch handeln.

Gerade bei größeren Lieferketten ist dies für Unternehmen nur schwer nachvollziehbar. Das Endprodukt ist dann weniger nachhaltig, als das vertreibende oder produzierende Unternehmen in seinen Aussagen gegenüber den Konsumenten vorgibt. Ist dem Unternehmen das Fehlverhalten des Lieferanten jedoch nicht bekannt, so spricht man auch von unbeabsichtigtem Greenwashing. Ein weiteres Beispiel für unbewusstes Greenwashing ist die Verwendung von vermeintlich umweltfreundlichen Alternativen, welche sich dann doch später als umweltschädlich herausstellen.

Und was ist Greenblushing?

Hierbei handelt es sich noch um ein recht neues und bislang wenig wissenschaftlich erforschtes Phänomen: Unternehmen, die Greenblushing (zu Deutsch etwa: grünes Erröten) betreiben, handeln zwar ökologisch, kommunizieren dies aber nicht nach außen.

Aktuelle Studien zeigen, dass es sich bei Unternehmen, die sich als Greenblushers betätigen, häufig um das reichste 1 % der Bevölkerung handelt. Andere Autoren sagen wiederum, dass besonders kleine und mittlere Unternehmen umweltbewusst handeln, aber damit, im Gegensatz zu vielen Großunternehmen, nicht werben.

Siegel-Dschungel bei Stichproben

Im Rahmen einer stichprobenartigen Untersuchung für eine Studienarbeit wurden im Jahr 2021 insgesamt vier Einzelhandelsgeschäfte in Dortmund besucht. Um einen möglichst breiten Querschnitt durch die angebotenen Artikel zu erfassen, wurden dabei Produkte unabhängig von der Warengruppe in Augenschein genommen. Insgesamt wurden rund 250 Produkte aus den Warengruppen Körperpflege, Reinigungsmittel, Getränke, Fleischersatz, Süßigkeiten, Bekleidung, Eis, Suppen, Brotbelag und Elektronik geprüft. Davon enthielten 61 Produkte Nachhaltigkeitsmerkmale in der Gestaltung bzw. dort vertretenen Werbeaussagen.

Einordnung der Ergebnisse

Im Rahmen der stichprobenartigen Untersuchung wurde deutlich, dass 90 % der Produkte Werbeaussagen über die besonders nachhaltige Produktion oder die Herkunft der Rohstoffe enthalten. Festzuhalten ist hierbei jedoch eine enorme Bandbreite der individuellen Hersteller-Aussagen. Während einige detaillierte Auskünfte, beispielsweise über die CO₂-neutrale Produktion oder die Herkunft einzelner Rohstoffe geben, kommunizieren anderen wiederum nur „Teilaspekte“ wie beispielsweise ausschließlich die Herkunft eines einzelnen Bestandteils, wie etwa der Umverpackung des eigentlichen Produktes oder die Bambusfront des verkauften Radios.

43 der Produkte und somit 70 % der Stichprobe nutzen Logos vor dem Hintergrund einer möglichst eingängigen Kommunikation gegenüber dem (potenziellen) Kunden. Hier stellte sich aber im Rahmen der Erhebung eine gewisse „Reizüberflutung“ dar, denn der Großteil der Hersteller, welche Logos verwendet, nutzt hierbei oftmals zwei und mehr. Dabei ist jedoch unbedingt eine deutliche Differenzierung zwischen herstellerunabhängigen und somit von einer (neutralen) Prüfinstanz oder Institution vergebenen Logos und von den Herstellern und Produzenten selbst erstellten Logos zu treffen.

Im Rahmen der Stichprobe wurden dabei auf den 61 untersuchten Produkten insgesamt 17 verschiedene herstellereigene sowie 23 herstellerunabhängige Logos und Siegel festgestellt. Die Logos gaben dabei sowohl Hinweise auf die verwendeten Rohstoffe sowie deren Anbau (z. B. Fairtrade, FSC, Bio), auf die grundsätzliche rein pflanzliche Zusammensetzung (z. B. Vegan, Leaping Bunny), auf die Produktion (z. B. Klimaneutral, CO2-neutral), auf das mögliche Recycling (z. B. Made for Recycling, kompostierbar) oder über das soziale Engagement des Herstellers (z. B. Social Plastic, UNICEF).

Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch, dass insgesamt 11 Produkte bzw. deren Hersteller soziale oder ökologischen Projektes auf der Verpackung bewerben. Dabei arbeiten einige der Firmen mit Partnern wie z.B. der UNICEF oder Social Plastic zusammen. Andere organisieren eigene Projekte, wie etwa Hygieneprodukte für afrikanische Kinder oder Nahrungsmittel. Aber auch in Deutschland angesiedelte Projekte, wie die Unterstützung von Wildvögeln, werden unterstützt. Zudem finden sich eher pauschale Ankündigungen, wie etwa 10 % der Gewinne für „gute Zwecke“ zu geben, 5 € für landwirtschaftliche Vereine oder 10 Cent pro verkauftem Produkt für Kinder in Somalia.

Ob regionaler Kleinbetrieb oder weltweit agierender Großkonzern – für Betriebe jedweder Kategorisierung gibt es wissenschaftlich belegbare Argumente, die Aspekte der Nachhaltigkeit im Marketing ihrer Produkte und Dienstleistungen einzusetzen. So werden bei den Konsumenten positive Assoziationen geweckt sowie ein positives Image erzeugt, was eine höhere Treue zur Folge hat. Daraus resultieren in der Konsequenz sogar klare Vorteile gegenüber den Mitbewerbern.

So fanden sich in jeder der überprüften Warengruppe gleich mehrere Produkte, deren Verpackungen die unterschiedlichsten Aspekte der Nachhaltigkeit bewarben. Angefangen beim reinen Hinweis auf die vollständige Recyclingfähigkeit der Verpackung, über den häufig feststellbaren Einsatz recycelter Rohstoffe und alternativer Materialien wie Papier oder Holz bis zu begleitenden sozialen und ökologischen Projekten.

(se)