Offener Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt

 

An Bundeslandwirtschaftsminister
Herrn Christian Schmidt
Unter den Linden 71, Zimmer 231
11011 Berlin

E-Mail: christian.schmidt (at) bundestag.de

 

Das Gespäch mit Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), auf das sich der nachfolgende „Offene Brief“ bezieht, ist in der Freien Presse online zwecks Einsicht leider nicht abrufbar – veröffentlicht wurde dieses in der Druckausgabe am 27.09.2016. Sie finden das Interview mit Schmidts klarem Bekenntnis zur exportorientierten Massentierhaltung aber in der Stuttgarter Zeitung hier.

 

30. September 2016

 

Sehr geehrter Herr Schmidt,

Bezug nehmend auf das veröffentlichte Interview mit Ihnen in der Freien Presse vom 27.09.2016, möchte ich ein paar kritische Anmerkungen machen.

Im Interview machten Sie deutlich, dass Sie kein grundsätzliches Problem mit der exportorientierten Massentierhaltung haben. Auch wollen Sie niemandem sein Schnitzel madig machen. Ganz deutlich streichen Sie heraus, dass Sie sich für bessere Haltungsbedingungen der Tiere einsetzen, was Sie als Ihre Aufgabe ansehen und was wir Tierschützer/Tierrechtler ungeduldig dankbar begrüßen.

Was mich stört, ist aber ihre zu tolerante Meinung über das Fleischessen und dies zur Privatsache abtun. Ihre beiden Interviewpartner weisen Sie aber deutlich darauf hin, dass Massentierhaltung nicht nur qualvoll für die Tiere ist, sondern auch schädlich für Mensch und Umwelt, z.B. auch im Hinblick auf die Überdüngung der Felder und die damit einhergehende Grundwasserbelastung. Dass Sie dieses Problem mittels einer Überarbeitung der Düngegesetzgebung in den Griff bekommen wollen, ist lobenswert. Zu bedenken ist dabei aber folgendes: Laut einer vom BUND erstellten „Chronik der Gülle-Unfälle“ flossen 9,6 Millionen Liter Gülle in zwölf Monaten (von Juli 2015 bis Juni 2016) auf Grund von Unfällen und Havarien unkontrolliert in die Umwelt. Man kann sich gut ausmalen, dass in den Jahren zuvor unzählige Millionen von Litern Gülle zusätzlich, neben der Düngung der Felder und Wiesen, in die Umwelt geflossen sind. Glauben Sie, dass sich dieses vom Menschen gemachte Problem mit einer neuen Verordnung regeln lässt? Ich bin da eher sehr skeptisch, weil es einfach zu viel an Gülle ist, die ja nicht ewig auf Anbaufeldern liegen bleibt, sondern weiter ins Grundwasser einzieht. Deutschland lässt zudem auch noch Gülle aus den Niederlanden einfahren. Welch ein Wahnsinn!

Bitte bedenken Sie auch bei Ihrem Festhalten an der unverantwortbaren Massentierhaltung, dass der hohe Fleischkonsum gravierende Auswirkungen auf das Klima hat, zur Wasserknappheit weltweit beiträgt, Regenwald abgeholzt wird für den Anbau von Futtermitteln, eine der Hauptursachen für Zivilisationskrankheiten ist und den Welthunger verschärft. Das sind alles Dinge, die hinlänglich seit Jahren bekannt sind und leider oft nicht im Zusammenhang gesehen und angegangen werden, weil der oder die Deutsche scheinbar nicht über den Tellerrand hinaus schaut. Selbst politische Größen sehen oder wollen sie nicht erkennen, was aber notwendig ist, angesichts der globalen Problematik. Siehe auch nicht zu übersehender Hinweis im Willi Brandt Museum in Berlin: Denke global!

Fleischessen ist schon lange keine Privatsache mehr, weil sie über das Private weit hinausgeht und unser gesamtes Ökosystem negativ beeinflusst. Wir reichen Industrienationen können es einfach nicht mehr verantworten, dass in anderen Teilen der Welt gehungert wird und wir hier unzählige Millionen von Tiere mästen und abschlachten und wegen des Profits an der Massentierhaltung festhalten. Einerseits verhungert fern unseres Blickes alle 3,5 Sekunden ein Kind, weil es nicht mal ein Stückchen Brot zum Essen hat. Aber andererseits werden für die Produktion von 1 Kilogramm Fleisch bis zu 16 Kilogramm Getreide oder Soja als Futtermittel eingesetzt – das ist meiner Meinung nach Getreide, das eigentlich hungernden Menschen zustehen müsste.

Bitte überdenken Sie Ihre gegenwärtige Sichtweise über die Massentierhaltung im Ganzen. Wenn Ihnen wirklich als Politiker, der sich christlichen Werten verschrieben hat, ganz besonders das Wohl der Menschen am Herzen liegt – bitte denken Sie jetzt an das hungernde Kind – dann reden und handeln Sie bitte auch dementsprechend langfristig und ganzheitlich. Das impliziert die artgerechte Haltung von Tieren sowie die Bewusstseinsförderung dieser Zusammenhänge innerhalb der Bevölkerung, etwa medial und wirtschaftspolitisch. Dabei sollten, angesichts einer solchen Problematik, eigene subjektive Interessen, ob man Fleisch gerne isst oder nicht, außen vor gelassen und eine Politik, die dem Wohl aller dient, sowohl Mensch als auch Tier, in die Wege geleitet werden.

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Jedzig
Bundesgeschäftsstelle
Partei Mensch Umwelt Tierschutz