Tierschutzpartei – links, rechts oder mittig?

Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz im Parteiengefüge und politischen Gesamtspektrum

Unsere Wahlkämpfer kennen beide Aussagen bestens:

„Tierschutz ist wichtig, aber die anderen Themen sind mir mindestens genauso wichtig und ich weiß ja gar nicht, welche Positionen ihr da so habt und ob ich euch wählen kann.“

„Mir ist vor allem der Tierschutz wichtig. Und wenn ihr noch etliche andere Themen im Wahlprogramm habt, weiß ich gar nicht mehr, ob das dann noch zu mir passt.“

Es ist gar nicht so einfach für uns, in der Außenwirkung zugleich das scharfe Profil für konsequenten Tierschutz und das breite Profil als politische Partei für alle Lebensbereiche zu kommunizieren. Und noch schwieriger ist es, die Standpunkte und Argumente in allen Facetten und Details zu erörtern: sind wir für „Tierwohl“ oder für Tierschutz, für Tierrechte oder für Tierbefreiungsaktivismus – und welche pragmatischen Zwischenschritte und Kompromisse tragen wir mit? Sind wir wirtschaftlich links oder neoliberal, gesellschaftlich konservativ oder progressiv, innenpolitisch autoritär oder libertär, sind wir ökologisch, paternalistisch, globalisierungskritisch, christlich, sozialistisch, direktdemokratisch, anarchistisch, keynesianistisch, elitaristisch, postmodern, patriotisch, wachstumskritisch, marxistisch, kapitalistisch, internationalistisch, humanistisch? Oder sind wir grundsätzlich gegen alle Ideologien und halten uns einfach nur für sachlich-pragmatisch?

Gegenfrage: Welcher Pragmatismus und welche Sache sollen denn richtig sein? Bei der Beantwortung dieser Frage gibt es dann doch wieder verschiedene Richtungen, die man einschlagen kann. Die meisten politischen Lösungsvorschläge klappen zudem nur dann, wenn man von ihrer Machbarkeit überzeugt ist und scheitern, wenn man an sie nie geglaubt hat. Eine Wahrheit vorab ist daher gar nicht möglich. Wir müssen also Farbe bekennen und ein für jeden Menschen leicht zuordenbares Gesamtprofil aufweisen, das es erleichtert, uns als Partei einzuschätzen. Nur so kann man auch wirklich alle potenziellen WählerInnen erreichen, die ihre Stimme bei uns gut aufgehoben wissen wollen.

Welches politische Profil haben wir denn bereits?

Im Handbuch der deutschen Parteien stehen wir als zur „ökologischen und sozial-liberalen Mitte“ gehörend. Und gelten als „ganzheitlich“, da wir „die drei Bereiche Mensch, Tier und Natur als untrennbare Einheit auffassen und [unsere] politischen Forderungen danach ausrichten“. Und wir definieren uns zudem als Anwalt derer, „die keine Lobby haben: Langzeitarbeitslose, alte Menschen, Kranke und Pflegebedürftige, in Armut lebende Kinder und all jene, die in der gnadenlosen Profitgesellschaft auf der Strecke geblieben sind“. Diese Einschätzung ist zwar durchaus zutreffend, aber auch schon elf Jahre alt und seitdem hat sich viel getan. Zudem möchten die meisten WählerInnen keine irritierenden Fremdzuschreibungen („die sind doch rechts“ oder „Tierschützer sind zu radikal“, wie es einige Zeit lang hieß, um den politischen Tierschutz zu diffamieren), sondern ein verlässliches Gesamtbild; einen politischen Kompass und eine Landkarte mit eingenordeter Tierschutzpartei. Das geht beispielsweise durch Vergleiche mit der bestehenden Parteienlandschaft und einer klaren Standortbestimmung der Tierschutzpartei. Darum soll es im folgenden Text gehen.

Der Wahlomat

Hier hilft insbesondere der vielen WählerInnen bekannte Wahlomat. Millionen Menschen nutzen ihn und erhalten oft auch einigermaßen gute Wahltipps. Aber den meisten eröffnet er noch mehr Fragen als sie zuvor hatten. Was wählt man, wenn beispielsweise an erster Stelle die SPD steht, die man aber partout nicht wählen mag – kann man dann die zweitplatzierte Tierschutzpartei wählen oder muss man doch auf die drittplatzierte CDU ausweichen? Heißt das nun, dass die Tierschutzpartei zwischen den beiden stehend eine etwas konservativere SPD oder eher eine etwas sozialere CDU ist? Hilfreich ist die systematische Auswertung der Wahlomat-Antworten, denn die bloßen Reihenfolgen der Parteien im Wahlomat stellen gerade keine inhaltlichen Nähen der Parteien zueinander dar. Wenn man diese Auswertung grafisch veranschaulicht, sieht man deutlich die Position der Tierschutzpartei im Parteiengefüge. In zwei Diagrammen, die jeweils unterschiedliche Dimensionen verdeutlichen, ist sie im Umfeld der drei linken Parteien SPD, LINKE und GRÜNE zu verorten und der klare Abstand zu CDU, FDP und insbesondere AfD fällt auf. Das hilft schon mal weiter, jedoch ist der Wahlomat nicht ganz zuverlässig. Zum Einen umfasst er relativ wenige politische Punkte (Tierschutz fehlt zumeist vollständig) und zum Anderen sind die Parteipositionen lediglich offizielle Verlautbarungen und nicht immer die wirkliche Überzeugung von Parteiführung oder Parteibasis widerspiegelnd. Sprich: es wird getrickst.

Abgeordnetenwatch

Daher sind Wahlempfehlungstools, die nicht nur mehr programmatische Punkte abfragen, sondern auf einer ehrlicheren Basis fußen, interessanter. Die gibt es etwa mit der Plattform abgeordnetenwatch.de, auf der alle Kandidierenden auf Landeslisten und in Wahlkreisen einen Fragebogen ausfüllen konnten, damit die Wählerinnen die Möglichkeit haben, herauszufinden, ob man zueinander passt. Eine wunderbare Quelle, um die politische Verortung der deutschen Parteienlandschaft auf eine solide Grundlage zu stellen. Die Kandidierenden der Partei Mensch Umwelt Tierschutz sind hier auch wieder eindeutig zwischen LINKE, GRÜNE und SPD (in dieser Reihenfolge) zu verorten. Das ist im Diagramm, das die berechneten Kandidierenden-Nähen darstellt, gut zu erkennen. Am weitesten entfernt von uns sind FDP, AfD, CSU und CDU (in dieser Reihenfolge).

Zudem gab es bei abgewordnetenwatch.de einen Freitext, den die Kandidierenden mit ihren wichtigsten Herzensanliegen und Hauptforderungen füllen konnten. Diese wurden von der Redaktion des Magazins correctiv ausgewertet und es konnten fünf dominierende Themenbereiche ausfindig gemacht werden: 1. Arbeit, 2. Digitales, 3. Natur/Umwelt, 4. Familie und 5. Volk/Demokratie (im Diagramm jeweils gestrichelt umrandet). Während die ersten vier Themen dicht beieinander liegen und es große Schnittstellen gibt, ist ein Block abgesondert: wenn es um das Volk ums Ganze geht. Wer sich dafür interessiert, vernachlässigt die anderen Themen. Entsprechend wurden auch die Parteien zugeordnet (im Diagramm in Flächenfarben dargestellt) und es erstaunt nicht, dass es sich mit der Parteienlandschaft größtenteils deckt: FDPler interessiert das Digitale, die GRÜNEN die Natur, die LINKEN die Arbeit und die AfDler sind erwartungsgemäß abseits beim völkischen Themenblock. Erstaunlich ist die thematische Zuordnung der SPDler zur Familienpolitik, die man doch eher bei der Union vermutet hätte. Die Kandidaten der Partei Mensch Umwelt Tierschutz liegen in dieser Auswertung im Themenfeld „Natur“ (das Tierschutz mit enthält), in der Nähe von „Digitales“ und „Familie“, zwischen den GRÜNEN und einigen SPD-Kandidierenden.

Wen-waehlen.de

Eine weitere Quelle zur empirischen Erfassung des Standorts im Parteienspektrum ist die Website wen-waehlen.de, auf der ebenfalls die Kandidierenden umfangreich Stellung beziehen sollten. Sie hatten sich zu insgesamt 116 Thesen, Forderungen, Werten und Zielen positioniert und 25 Kandidierende der Partei Mensch Umwelt Tierschutz nahmen teil. Durch den enormen Datenumfang ist dies eine besonders gute Grundlage um das Spektrum der politischen Parteien in Deutschland zu erforschen. Addiert man alle Positionierungen und berechnet die Gemeinsamkeiten zur Tierschutzpartei, so ergibt sich, dass die größte Ähnlichkeit zu den Kandidierenden der GRÜNEN besteht, dicht gefolgt von den LINKEN und den SPDlern. Mit relativ großem Abstand folgen dann FDP, CDU/CSU und AfD. Allerdings ist besonders interessant, wie sich die Kandidierenden der Parteien zu konkreten Sachverhalten positionierten. Mit wem es die größten Schnittmengen bei der Forderung „Massentierhaltung reduzieren!“ oder beim Thema „Umwelt- und Tierschutz“ gibt, ist für uns sicherlich aussagekräftiger als beispielsweise beim Themenbereich „Christliche Werte“. Auch bei den uns ganz besonders wichtigen Anliegen sind es wiederum die drei Parteien links der Mitte (beispielsweise zum Tierschutz: 76 % GRÜNE, 58 % LINKE, 43 % SPD), die mit uns bis zu einem gewissen Grade die gleichen Ideale und Vorhaben teilen. Freilich wird selbst dieser gewisse Grad an Tierschutz leider vergessen, sobald die Herren und Damen in Regierungsverantwortung sind.

Fazit

Wir sind in der Summe aller programmatischen Themen im Bereich der Mitte-Links-Politik zu verorten, was alle empirischen Kandidierenden- und Parteienvergleiche aufzeigen. Wichtig ist uns das individuelle Recht auf Asyl sowie klare Positionierung gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Ausländerfeindlichkeit. Wir sind für die Förderung von wirtschaftlich geschwächten Menschen und wollen Familien, Frauen, Bildungseinrichtungen, Minderheiten und gemeinnützige Projekte fördern, wollen Finanztransaktionen und hohe Vermögen gerechter besteuern und die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens unterstützen. Wir beziehen ganz klar Stellung, auch wenn wir dadurch Wählerstimmen von radikalkapitalistischen oder rassistisch orientierten Wählern, die durchaus auch einzelne Tierschutzforderungen befürworten können, nicht für uns gewinnen.

Es ist uns generell wichtig, dass wir uns nicht populistisch aufstellen, sondern verantwortungsvolle und ethisch fundierte programmatische Forderungen erarbeiten, die wir guten Gewissens jedem Interessierten sachlich und aufrichtig darlegen können. Das Leitbild ist für uns dabei immer, denen eine Stimme zu geben, die selbst keine haben und dass wir Mitgefühl als wichtigste Basis eines neuen gesamtgesellschaftlichen Selbstverständnisses vertreten. Dies umfasst insbesondere auch soziale Minderheiten und geflüchtete Menschen. Niemals werden wir von diesem Prinzip abweichen. Wir stehen dafür, dass man Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und Tierschutz nicht gegeneinander ausspielen soll – und Tierrechte niemals gegen Menschenrechte.

Was uns aber auch deutlich von allen anderen Parteien unterscheidet: Wir sind die einzige Partei in Deutschland, die sich konsequent für die Beendigung jeglichen Tierleids einsetzt. Keine der anderen Parteien verfolgt hier eine klare und ehrliche Linie – alle Politiker verraten insbesondere auf diesem Politikfeld ihre ohnehin bereits sehr weichen Ziele, so sie überhaupt jemals was sinnvolles zum Thema Tierschutz verlautbarten. So bleibt nur eines, damit sich was ändert: Tierschutzpartei wählen, damit der Druck auf die Politiker immer größer und größer wird und die Gesetze endlich eines Tages Tierleidfreiheit garantieren! Und das ist bei aller gewisser Nähen zu anderen Parteien unser politisch-ethischer Identifikationskern, unser Gründungsanliegen, unser klar erkennbares und verlässliches Profil. Auf dies können sich unsere Wähler ebenso stützen wie auf unseren generellen politischen Mitte-Links-Standort. Man muss das nicht „links“ nennen, sondern kann auch einfach festhalten: Wer sich für die schwächsten Lebewesen einsetzt, Mitgefühl als zentrales Anliegen hat, denkt immer auch umfassend sozial und will Gerechtigkeit auf allen Ebenen und in allen Situationen und für alle!

Zusatzfrage: Wer wählt die Tierschutzpartei?

Hierzu kann die Sinus-Milieu-Studie der Bertelsmannstiftung ausgewertet werden. Sie teilt die Bevölkerung in verschiedene soziale Milieus ein, die sich klar in ihrem Konsumverhalten, in ihren ethischen Überzeugungen und in ihrer politischen Haltung unterscheiden. Leider wurde die Tierschutzpartei nicht mit untersucht, aber die Methode lässt sich durch Korrelationsanalyse auf die Tierschutzpartei übertragen. Wenn man die Milieuanteile in den Wahlkreisen mit den jeweiligen Ergebnissen der Tierschutzpartei statistisch korrelieren lässt, kommt ein erstaunlicher Befund zutage: während für Westdeutschland keine klare Milieu-Nähe erkennbar ist, aber die an materieller Modernisierung orientierte untere Mittelschicht tendenziell eher zur Tierschutzpartei neigten, waren es in Ostdeutschland deutlich die Wähler aus der oberen Mittelschicht (liberal-intellektuelles sowie konservativ-etabliertes Milieu sowie Performer und Expeditive, an postmateriell-explorativ/pragmatischer Neuorientierung orientierte Leute). Der maßgebliche Unterschied zwischen Ost und West wird jedoch hauptsächlich durch Nordrhein-Westfalen verursacht, da hier die Zusammensetzung der Tierschutzparteiwähler deutlich in die oben für Westdeutschland beschriebene Richtung hin abweicht. Hessen, Niedersachsen und Bayern nehmen hingegen eine Mittelstellung zwischen NRW und Ostdeutschland ein und weisen nochmal eine für sie ganz eigene Besonderheit auf: dort ist das sozial-ökologische Milieu überdurchschnittlich der Tierschutzpartei zugeneigt. Womöglich ist in den Milieuunterschieden der Wähler auch die Erklärung dafür zu finden, weshalb die Ergebnisse in den Bundesländern deutlich voneinander abweichen. Einig ist man sich in Ost und West hingegen darin, dass man als Angehöriger des traditionellen Milieus der Mittelschicht wenig geneigt ist, Tierschutzpartei zu wählen. In Westdeutschland verweigerten zudem die adaptiv-pragmatischen Wähler der Mittelschicht ganz klar ihr Kreuz der Tierschutzpartei. Zu erklären sind diese unterdurchschnittlichen Wahlresultate bei bestimmten Milieus jeweils vor allem darin, dass diese ihre politische Heimat derzeit bei anderen Parteien finden. So ist die AfD in Ostdeutschland besonders stark und eng mit dem prekären Milieu verbunden, so dass dort in diesem Milieu leicht unterdurchschnittlich für die Tierschutzpartei votiert wurde. Grüne, SPD und FDP hingegen sind traditionell schwächer in Ostdeutschland, was dazu führt, dass ihre eigentlich typischen sozialen Milieus keine enge Parteibindungen aufbauen konnten und somit eine stärkere Offenheit zur Wahl der Tierschutzpartei vorhanden ist, die das Fehlen an Stimmen aus dem prekären Milieu offenbar mehr als ausgeglichen hat.

Generell lässt sich sagen, dass die Tierschutzpartei von fast allen Wählermilieus gewählt wird (siehe gestrichelte Linie im Diagramm) und lediglich bereits bestehende andere Parteibindungen noch bessere Wahlresultate verhindern. In Ost, West, Nord und Süd gilt daher: es gibt noch viel Potenzial zu heben und viele künftige Wähler, Unterstützer und Mitglieder für unser Anliegen und unsere Partei zu gewinnen. Auch die U18-Wahlen zeigen den Trend, dass mittelfristig Ergebnisse über 5 % möglich sind!