Postwachstumsökonomie – Ein Wirtschaftssystem jenseits von Wachstumszwang?

Postwachstum stellt eine ökonomische Denkschule dar, die sich vom Gedanken unendlichen Wachstums verabschiedet und an dessen Stelle ein Gesundschrumpfen stellt. Der Begriff Postwachstum beschreibt – ähnlich wie sein englisches Äquivalent Degrowth – Wachstums-kritische Bewegungen und Denkweisen. Diese suchen nach Möglichkeiten eines Wirtschaftssystems, das jenseits von Wachstumszwang funktioniert. Einer der Gedanke dabei ist, dass wir unseren Konsum verringern und dementsprechend auch weniger produzieren müssen.

Warum ist ein neuer ökonomischer Ansatz überhaupt wichtig?

  1. Aus Gründen der Nachhaltigkeit: Eine Postwachstums-Ökonomie setzt auf langfristige Nachhaltigkeit anstelle kurzfristiger Profitmaximierung. Durch eine bewusste Verringerung des Ressourcenverbrauchs und eine Neuausrichtung der Wirtschaft auf menschliche Bedürfnisse statt auf grenzenloses Wachstum können wir eine gerechtere Verteilung von Ressourcen erreichen und zukünftigen Generationen eine lebenswerte Welt hinterlassen.
  2. Aus Umweltschutz-Gründen: Das gegenwärtige Wirtschaftssystem, das auf unbegrenztem Wachstum basiert, hat zu einer übermäßigen Nutzung natürlicher Ressourcen geführt und die Umweltbelastung stark erhöht. Eine Postwachstums-Ökonomie strebt nach einer Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und der Umweltauswirkungen, um die ökologischen Grenzen des Planeten zu respektieren und die natürlichen Lebensgrundlagen langfristig zu erhalten.
  3. Aufgrund der sozialen Gerechtigkeit: Das aktuelle Wirtschaftssystem verstärkt oft soziale Ungleichheiten, indem es die Reichtumskonzentration in den Händen weniger fördert. Eine PWÖ strebt eine gerechtere Verteilung von Ressourcen und Einkommen an, um soziale Gerechtigkeit zu fördern.
  4. Für eine höhere Lebensqualität: Statt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als alleinigen Maßstab für Fortschritt zu verwenden, konzentriert sich eine Postwachstums-Ökonomie auf das Wohlbefinden der Menschen. Sie legt Wert auf Faktoren wie Gesundheit, Bildung, soziale Beziehungen, Freizeit und Umweltqualität, die einen direkten Einfluss auf die Lebensqualität haben.
  5. Um zu einer langfristigen Stabilität zu gelangen: Das Streben nach unbegrenztem Wachstum hat zu wirtschaftlichen Krisen, sozialen Spannungen und ökologischen Herausforderungen geführt. Der neue ökonomische Ansatz zielt darauf ab, ein stabileres und widerstandsfähigeres Wirtschaftssystem aufzubauen, das auf realistischen und nachhaltigen Grundlagen beruht und (weltweite) Krisen besser bewältigen kann.

Zwischenfazit: Insgesamt kann eine Postwachstums-Ökonomie dazu beitragen, die Grenzen des gegenwärtigen Wirtschaftsmodells zu überwinden und eine zukunftsfähige Gesellschaft aufzubauen, die ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und individuelles Wohlbefinden in Einklang bringt. Sie bietet eine Alternative zu einem ungebremsten Wachstum, das langfristig sowohl für die Menschheit als auch für den Planeten nicht nachhaltig ist.

Erforderliche politische Maßnahmen

  • Alternative Fortschritts-Indikatoren: Dazu gehören Indikatoren wie soziale Gerechtigkeit, Gesundheit, Bildung, Lebenszufriedenheit und Umweltqualität.
  • Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch: Die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und die Verringerung der Umweltauswirkungen müssen mit wirtschaftlicher Entwicklung entkoppelt werden. Effizienzsteigerungen, Technologieinnovationen und Kreislaufwirtschaftsansätze können dabei helfen, den materiellen Verbrauch zu verringern.
  • Gemeinschaftliche Ökonomie und Solidarität: Eine Post-Wachstums-Wirtschaft betont die Bedeutung von solidarischen Wirtschaftsmodellen, in denen Kooperation und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen. Lokale und regionale Wertschöpfungsketten, Genossenschaften, Teilhabe und Kooperation können dazu beitragen, eine gerechtere und nachhaltigere Wirtschaft aufzubauen.
  • Degrowth-Strategien: Die Idee des „Degrowth“ (Degrowth bedeutet „Schrumpfung“ bzw. „Wachstumsrücknahme“) betont die Notwendigkeit einer bewussten Verringerung des Ressourcenverbrauchs und des Produktions- und Konsumniveaus, um die ökologische Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Dies kann durch eine Verringerung der Arbeitszeit, eine gerechtere Einkommensverteilung und eine Neuausrichtung der Wirtschaft auf menschliche Bedürfnisse statt auf Profitmaximierung erreicht werden.
  • Bildungspolitik: Eine Transformation hin zu einer Post-Wachstums-Wirtschaft erfordert ein grundlegendes Umdenken der Gesellschaft. Bildung, Bewusstseinsbildung und der Aufbau einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz für nachhaltige Lebensstile und alternative Wirtschaftsmodelle spielen eine zentrale Rolle.

Abschließendes Fazit: Die Erreichung einer Post-Wachstums-Wirtschaft erfordert ein umfassendes Umdenken in Bezug auf den Wert von Wachstum und den Umgang mit begrenzten Ressourcen. Es geht darum, eine Wirtschaft zu schaffen, die das Wohlbefinden der Menschen und den Schutz der Umwelt und der Tiere in den Vordergrund stellt und nachhaltige Lösungen für die aktuellen Herausforderungen unserer Gesellschaft entwickelt. Eine Herausforderung, der wir uns als politisch Tätige stellen sollen und müssen.

Autor: Sebastian Everding