Stellungnahme zur Umweltministerkonferenz vom 1.12.23 zum erleichterten Abschuss von Wölfen

Wir sind entsetzt und gleichzeitig verärgert über den überwiegend von grünen Umweltminister:innen gefassten Beschluss, Wölfe schnell und unkompliziert bereits nach einem Übergriff auf Weidetiere in Regionen mit erhöhten Rissaufkommen abschießen zu können. Die Abschussgenehmigung soll für einen Zeitraum von 21 Tagen im Umkreis von 1000 Metern gelten.

Hierbei wird völlig außer Acht gelassen, dass ein erhöhtes Rissaufkommen immer dort vorkommt, wo Weidetiere nicht wolfsabweisend geschützt sind. Dies ist bei bis zu 80 % der Übergriffe der Fall.

Abgesehen davon, dass wir der Überzeugung sind, dass diese Praxis EU-rechtswidrig sein wird, bleibt der Beschluss der UMK viele Antworten schuldig:

  1. Wann zählen Gebiete zu Gebieten mit erhöhten Rissaufkommen? Sie können von den Bundeländern nach regionalen Gegebenheiten festgelegt werden – also völlig willkürlich.
  2. Was ist zumutbarer Herdenschutz? Der EUGH hat bereits entsprechend der FFH-Richtlinie betont, dass Herdenschutz nach neuestem technischen und wissenschaftlichen Standard erfolgen muss – wenn Elektrozäune nicht ausreichen, dann mit Herdenschutzhunden, Hirten, Nachtpferch, etc. Es existieren bereits vom Deich bis zu den Schweizer Alpen gute Beispiele funktionierenden Herdenschutzes – wenn man denn Willens ist.
  3. Der strenge Schutz des Wolfes ist ein Individualrecht, d.h. nicht für einen Übergriff verantwortliche Tiere dürfen nicht geschossen werden – wie will man das verhindern, wenn zukünftig eine genetische Individualisierung entfallen soll? Den nicht für einen Riss verantwortlichen Wolf zu schießen, ist eine Straftat. Man denke hier an durchwandernde Wölfe.
  4. Eine schnellere Genehmigungspraxis soll z.B. durch Musterbescheide unterstützt werden.
    Eine Abschussgenehmigung ist und bleibt nach der FFH-Richtlinie eine restriktiv, als letztes Mittel zu erteilende individuelle Ausnahmegenehmigung, die die in jedem Einzelfall existierenden Umstände berücksichtigen muss – sie sind nicht bspw. 1:50 multiplizierbar!
  5. Wolfsübergriffe auf mit Mindestschutz (90 cm hohe Elektrozäune) geschützte Weidetiere stellt nach geltendem EU-Recht und Bundesnaturschutzgesetz keine Rechtfertigung für Wolfsabschüsse dar, da Mindestschutz nur bedeutet, dass die:der Weidetierhalter:in Anrecht auf Entschädigungsleistungen hat. Wolfsabweisender Schutz bedeutet lt. den Angaben des Bundesamts für Naturschutz hingegen, dass Elektrozäune mind. 120 cm hoch sind. Auf diesen Anforderungen basierende Abschussgenehmigungen werden nach unserer Auffassung rechtswidrig sein.
  6. Bei der Festlegung des Umkreises und der Geltungsdauer der Abschussgenehmigung beziehen sich die Bundesumweltministerin Steffi Lemke und die Umweltminister auf „wissenschaftlichen“ Erkenntnissen aus Schweden. Hiernach sollen Wölfe mit hoher Wahrscheinlichkeit zur gleichen Herde zurückkehren, um einen erneuten Übergriff zu versuchen – wir haben in Deutschland viel mehr Wildtiere als in Schweden, wo Wölfe auch nur in bestimmten Regionen geduldet werden, weshalb es für den Wolf nicht notwendig ist, an den gleichen Ort zurückzukehren. Ferner ist die schwedische Wolfspopulation aufgrund ihrer geringen Individuenzahl eine Population mit einer hohen Inzuchtquote und damit sehr seuchen- und krankheitsanfällig. Das kann demzufolge auch den deutschen Populationen drohen.
  7. Wenn in dem Beschluss betont wird, dass flächendeckender Herdenschutz unumgänglich ist, warum werden dann nicht in dem gleichen Beschluss Konsequenzen für nicht durchgeführten Herdenschutz beschlossen? Warum konditioniert man Wölfe auf ungeschützte Weidetiere ohne Strafe für den Verursacher und macht dafür den Wolf zum Sündenbock?
  8. Warum wurde in der UMK nicht festgelegt, dass die Länder die erforderlichen Mittel für den Herdenschutz auch aus Mitteln der EU vollumfänglich bereitzustellen haben? Man kann nicht von den Weidetierhalter:innen wolfsabweisenden Herdenschutz fordern und bei deren Antragstellung wie in Niedersachsen leere Taschen aus der Hose ziehen. Statt unbürokratischer Abschüsse braucht es unbürokratischer Unterstützung der Weidetierhalter beim Herdenschutz.
  9. Wie werden Übergriffe auf nicht wolfsabweisend geschützte Pferde und Rinder beurteilt? Entgegen der Behauptung, dass sich Rinder und Pferde selbst schützen könnten, ist nach dem Praxisleitfaden zur FFH-Richtlinie von 2021 angeraten, diese ebenso wolfsabweisend zu schützen.
  10. Werden Übergriffe auf nur mit Grundschutz ausgestattete Weidetiere von Hobbytierhalter:innen auch eine Abschussgenehmigung auslösen? Voraussetzung für eine Abschussgenehmigung ist bisher nach § 45a BNatSchG, dass ein ernster wirtschaftlicher Schaden eingetreten ist. Bei Hobbytierhalter:innen dürfte es somit nicht gelten.

Fazit:

Jurist:innen bezweifeln seit 2019 bereits, dass der Paragraph 45a BNatSchG , der im März 2020 in Kraft getreten ist, EU-rechtskonform ist. Nun wird der strenge Schutz des Wolfes auf lautes, unverhohlenes Rufen von einigen Weidetierhalter:innen und Jäger:innen nach Abschüssen weiter aufgeweicht und die verantwortlichen Politiker regieren uns zurück ins Mittelalter.

Nach einer neuesten Umfrage aus November 2023 , in der 10.000 Bewohner:innen ländlicher Gebiete aus Deutschland und neun weiteren EU-Ländern befragt wurden, hat sich die überwiegende Mehrheit weiterhin für den strengen Schutz des Wolfes ausgesprochen.

Nach einer neuesten Studie aus der Slowakei von November 2023 hat man dort die Auswirkungen der jährlichen Jagdquoten auf Wölfe zwischen 2014 und 2019 untersucht. Festgestellt wurde, wie nicht anders zu erwarten, dass sich das Töten von Wölfen nicht auf den Verlust der Weidetiere ausgewirkt hat. Man hat deshalb die Jagd auf Wölfe im Jahre 2021 in der Slowakei eingestellt – wie auch in Spanien. In beiden Ländern ist der Wolf in Anhang V der FFH-Richtlinie aufgeführt, könnte im Gegensatz zu Deutschland, wo der Wolf in Anhang IV aufgeführt ist, bejagt werden.

Wir leben in Zeiten des Biodiversitätsverlustes und des Artensterbens und statt die unbürokratische Finanzierung des flächendeckenden Herdenschutzes zu gewährleisten und verweigerten Herdenschutz zum Wohle der Weidetiere zu sanktionieren, werden die Wölfe zum Sündenbock für verfehlte grüne Politik und leere Kassen gemacht oder warum fallen bisherige grüne Verfechter des strengen Wolfsschutzes plötzlich um?

Statt sich für die Errichtung von Schutzgebieten für streng geschützte Tiere einzusetzen, wie es die FFH-Richtlinie fordert, katapultiert uns diese Regierung in Sachen Arten-, Natur- und Umweltschutz immer weiter in die Katastrophe.

Wir hoffen, dass dieser Beschluss der juristischen Prüfung bei Klagen der Umweltorganisationen gegen die Abschussgenehmigungen nicht Stand hält.

Weiterführende Links:

https://www.bmuv.de/download/umk-beschlussfassung-zur-aenderung-des-praxisleitfadens-wolf

https://www.lokalkompass.de/bedburg-hau/c-lk-gemeinschaft/umfrage-landbevoelkerung-spricht-sich-fuer-wolfsschutz-aus_a1912854?fbclid=IwAR3z-dYQjItDqNPARfSSPWHp5n0gkQzEvZr-UT4g79VqaXppkI_nt7A6keM

https://www.dbb-wolf.de/Wolfsmanagement/herdenschutz

https://conbio.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/conl.12994?fbclid=IwAR28DOeh9fw2914xLtB0GHK5T9ka6Y1RJ_b3w0j-QYpkZH-e-q3RSJs5pwc