Tierquälerei ist unzivilisiert

Fortschritte in der Tierschutz-Gesetzgebung sind ein Indikator für das moralische Niveau eines Landes. Die Qualität der Tierhaltung muss zu einem Imagefaktor werden!

Mahatma Gandhi hat einmal scharfsinnig bemerkt, dass „die Größe einer Nation und ihr moralischer Fortschritt danach beurteilt werden können, wie sie ihre Tiere behandelt“. Der Versuch, das Leiden derjenigen zu verringern, die vollständig unter fremder Herrschaft stehen und sich nicht wehren können, ist wahrhaft ein Zeichen einer zivilisierten Gesellschaft. Die Fortschritte in der Tierschutz-Gesetzgebung auf der ganzen Welt könnten daher allgemein als ein Indikator für den moralischen Fortschritt zu werten sein.

Derzeit geben parallele Entwicklungen an entgegengesetzten Orten der Welt Anlass zur Hoffnung, dass die Welt – langsam und immer wieder mit Rückschlägen – vielleicht doch ein wenig zivilisierter wird.

Zunächst stimmte das britische Unterhaus einem Gesetzesantrag zu, der die Regierung zu einem Verbot von Wildtieren im Zirkus verpflichtet. Dieser Antrag folgte der Veröffentlichung von Bildmaterial, das die Tierschutzorganisation Animal Defenders International mit versteckter Kamera gefilmt hatte. Die Bilder zeigen, wie ein Zirkusmitarbeiter wiederholt auf die Elefantenkuh Anne einschlägt. Die konservative Regierung war, zumindest anfangs, gegen diesen Antrag, der allerdings später von den Mitgliedern aller politischen Parteien unterstützt wurde. In einem Triumph parlamentarischer Demokratie wurde der Antrag ohne Gegenstimmen angenommen.

Bei etwas stärkerem Gegenwind verabschiedete das Unterhaus des niederländischen Parlaments ein Gesetz, das den jüdischen und islamischen Gemeinschaften ein Jahr Zeit gibt, Beweise vorzulegen, dass auf traditionellem Wege geschlachtete Tiere keine größeren Schmerzen erleiden, als Tiere, die vor ihrer Tötung betäubt werden. Wird dieser Beweis nicht erbracht, müssen Tiere in den Niederlanden vor der Schlachtung in Zukunft betäubt werden.

Zuweilen hat es den Anschein, dass Verbesserungen für Tiere in westlichen Ländern von der zunehmenden Tierquälerei in China wieder aufgewogen werden, wo der wachsende Wohlstand die Nachfrage nach tierischen Produkten in die Höhe schießen lässt. Es war für mich schwierig, die Misshandlung Annes anzusehen, aber diese Aufnahmen sind nichts gegen die Videos, die ich über Grausamkeiten gegen Tiere in Asien gesehen habe. Diese unerträglichen, im Internet zur Verfügung gestellten Aufnahmen zeigen Bären, die in so kleinen Käfigen gehalten werden, dass sie nicht aufstehen und sich in manchen Fällen überhaupt nicht bewegen können, damit man ihnen Gallenflüssigkeit entnehmen kann.

Angesichts dieser Aufnahmen wird manchmal darauf verwiesen, dass Tierschutz eben ausschließlich ein Anliegen des Westens sei. Plausibel ist das allerdings nicht, denn in der buddhistischen Tradition wird die Sorge um Tiere stärker hervorgehoben als im Judaismus, im Christentum oder im Islam. Lange bevor westliche Philosophen:innen Tiere in ihre Ethik einbezogen, sagten chinesische Philosophen wie Zhuangzi, dass nicht nur menschliche Beziehungen von Liebe durchdrungen sein sollten, sondern alle Beziehungen zwischen fühlenden Wesen. Heutzutage hat China seine eigenen Tierrechtsbewegung, und es gibt Anzeichen, dass ihre Botschaft auch langsam Gehör findet. Noch aber ziehen etwa chinesische Zoos mit ihren Tierspektakeln massenhaft Zuschauende an. Außerdem ist es den Besuchern möglich, lebende Hühner, Ziegen und Pferde zu kaufen, um dann zuzusehen, wie diese von Löwen und anderen Raubkatzen in Stücke gerissen werden. Nun hat die chinesische Regierung staatlichen Zoos verboten, derartige Quälereien zu veranstalten. Wenn sich Chinas Zentralregierung dazu entschließt, kann sie sicherstellen, dass Tierschutzgesetze im ganzen Land Gültigkeit besitzen. Die Tierschutzbewegung in China sollte sich mit dem zwar klaren, aber doch kleinen Erfolg hinsichtlich der Tierquälerei in Zoos nicht zufriedengeben.

Das gilt für alle Länder. Denn so begrüßenswert diese Initiativen auch sind: Die Zahl der Tiere in Zirkus und Zoo ist winzig im Vergleich zu den Dutzenden Milliarden von Tieren, die weltweit in Tierfabriken leiden. In diesem Bereich gehen die westlichen Länder mit betrüblichem Beispiel voran. Vor Kurzem allerdings hat die Europäische Union reagiert: Die Einzelhaltung von Kälbern hat man bereits verboten und in sechs Monaten wird es in allen 27 EU-Ländern illegal sein, Legehennen in Drahtkäfigen zu halten, die heute in der Eierindustrie auf der ganzen Welt vorherrschen. Ab 2013 ist die Einzelhaltung von Zuchtsauen verboten.

Im Hinblick auf die Beseitigung der schlimmsten Arten der Nutztierquälerei hinken die USA Europa hinterher. Das Problem liegt allerdings nicht bei den Bürger:innen, die in Bundesstaaten wie Florida, Arizona und Kalifornien für mehr Schutz von Nutztieren eintreten. Die größten Probleme herrschen in jenen Staaten, wo es keine Möglichkeit gibt, eine Volksabstimmung darüber herbeizuführen, wie Nutztiere zu behandeln sind. Unglücklicherweise gehören zu dieser Gruppe die Staaten im Mittelwesten und im Süden, wo die Mehrheit der amerikanischen Nutztiere gehalten wird.

Es gibt noch viele Länder mit kläglichen Tierschutzstandards. In Indonesien beispielsweise filmte die Tierschutzorganisation Animals Australia mit versteckter Kamera, wie aus Australien stammende Rinder so schwer misshandelt wurden, dass die australische Regierung die Rinderexporte nach Indonesien aussetzte. Manche Parlamentsabgeordnete fordern mittlerweile ein ständiges Ausfuhrverbot. Die größte Hoffnung auf weitere Forschritte liegt wohl darin, dass der Tierschutz – wie Menschenrechte – zum internationalen Anliegen wird. Wie gut ein Land seine Tiere schützt, sollte künftig für das Image und die internationale Wertschätzung dieses Landes eine Rolle spielen.

ms