Tierversuche Hilfe oder Hindernis?

Beitrag zum Internationalen Tag des Versuchstiers am 24.04.2021
Fragt man jemanden wie sie/er zu Tierversuchen steht ist die Antwort in den meisten Fällen in etwa: “Sie sind ein notwendiges Übel. Es ist schlimm, was mit den Tieren gemacht wird, aber die Gesundheit des Menschen geht vor“.
Wir werden in diesem Artikel nicht auf die moralischen Fragen zu Tierversuchen eingehen und auch nicht die Situation der Tiere beleuchten. An dieser Stelle möchten wir nur kurz aus dem Tierschutzgesetz §7 Abschnitt 2 Zitieren:
„Tierversuche im Sinne dieses Gesetzes sind Eingriffe oder Behandlungen zu Versuchszwecken
1. an Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese Tiere verbunden sein können,
2. an Tieren, die dazu führen können, dass Tiere geboren werden oder schlüpfen, die Schmerzen, Leiden oder Schäden erleiden, oder
3. am Erbgut von Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für die erbgutveränderten Tiere oder deren Trägertiere verbunden sein können.
…“
Hier geht es um die Frage: „Nutzen Tierversuche der Gesundheit des Menschen oder sind sie vielmehr ein Hindernis?
Tierversuche sind eine Sackgasse.
Die teilweise recht hohe genetische Übereinstimmung (Schimpanse: über 96 %, Maus: 85 %) repräsentieren nicht die Übertragbarkeit (96 % Übereinstimmung heißt nicht, dass der Mensch auf 96 % aller Substanzen gleich reagiert.)
Bei einer Untersuchung eines britischen Forscherteams stellte sich heraus, dass von Substanzen, die erwiesenermaßen zu Missbildungen bei ungeborenen Kindern führen, die Hälfte in Tierversuchen als unbedenklich eingestuft wurden (Contergan eingeschlossen). Auf der anderen Seite fallen ebenso viele Stoffe, die für den Menschen unbedenklich sind, bei den Tierversuchen durch.
(1) Laut einer weiteren Studie lassen sich nur 43 % der Nebenwirkungen von Substanzen mit Versuchen an Mäusen und Ratten vorhersagen.
(2)Ein Münzwurf bei dem Kopf für „Ja diese Nebenwirkung tritt auf“ und Zahl für „Nein diese Nebenwirkung tritt nicht auf“ steht hätte eine höhere Genauigkeit oder anders gesagt, nach dem Versuch wissen wir weniger als davor.
Die U.S. Food and Drug Administration (FDA) gibt an, dass 92 % aller an Tieren erfolgreich getesteten Medikamente bei Studien an Menschen durchfallen. (3)
Diese Unterschiede werden auch in Zukunft nicht verschwinden, denn eine Ratte bleibt eine Ratte, ein Schimpanse ein Schimpanse und ein Mensch ein Mensch. Diese „Genauigkeit“ ist das Beste, was Tierversuche bieten können.
Das Problem:
Bis ein Medikament entwickelt und zugelassen wird, dauert es in der Regel mehr als 13 Jahre. Zeit die nicht jeder Patient hat. Falsche Informationen aus Tierversuchen führen

Forscher immer wieder auf Irrwege und kosten so noch mehr Zeit und Geld.

Tragischer wird die Sache nur noch wenn man sich die Frage stellt: „Wenn 92 % der Medikamente an Tieren fälschlicherweise positiv getestet wurden, wie viele Medikamente wurden dann fälschlicherweise negativ getestet ? Haben wir vielleicht schon ein wirksames Mittel gegen Alzheimer, Krebs oder HIV gefunden, das nur verworfen wurde, weil Mäuse oder Affen es nicht vertragen?“. Eine berechtigte Frage wie folgende Beispiele zeigen.
Tamoxifen: eines der wirksamsten Medikamente gegen bestimmte Arten von Brustkrebs.
Wäre aufgefallen, dass es bei den Ratten in den Versuchen zu einer erhöhten Zahl an Lebertumoren geführt hat wäre es sicher nicht weiter Entwickelt worden.
Imatinib: zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie
Imatinib führt unter andern bei Hunden zu schweren Leberschäden. Tests an menschlichen Zellproben widerlegten die Ergebnisse.
Aspirin – Aspirin führt bei Affen, Katzen, Mäusen und vielen anderen Tieren zu embryonalen Fehlbildungen
Glücklicherweise war die Unbedenklichkeit für den Menschen bereits bekannt bevor Tierversuche etwas anderes sagen konnten.
Die Fehlerquote der Tierversuche entspricht beinahe ihrem Budget in Deutschland. Nur ca. 1 % der Fördermittel gehen an tierversuchsfreie Forschungsprojekte.
Wer wissenschaftlich interessiert ist und einen tieferen Einblick in die tierversuchsfreien Forschungen bekommen möchte, kann mal einen Blick auf diese Datenbank werfen: NAT-Database (Non-Animal_Technologies) – Tierversuchsfreie Datebank (nat-datenbank.de) Für alle anderen stellen wir kurz und in einfachen Worten eine der bekannteren Methoden vor. Mini-Organe/Multi-Organ-Chips. Das Verfahren: Mit Hilfe von Stammzellen oder IPSC`s (Normale Zellen, die zu Stammzellen gemacht wurden) können Mini-Organe gezüchtet werden, die wie normale Organe reagieren und die gleichen Funktionen ausüben. Als Nährmedium wird für diese Mini-Organe u.a. humanes Blutplättchenlysat (hPl) verwendet, welches als Nebenprodukt bei Blutspenden gewonnen wird. Fötales Kälberserum (FKS) findet keine Anwendung. Bei Multi-Organ-Chips werden mehrere Mini-Organe auf einen Chip gesetzt und mit einem simulierten Blutkreislauf verbunden. Gibt man nun ein Medikament dazu, kann überwacht werden, wie die Mini-Organe darauf reagieren. Natürlich haben diese und andere Techniken noch ihre Grenzen. Tierversuche andererseits sind bereits an ihre Grenzen gestoßen und schon jetzt zeigen immer mehr Studien, dass die neuen Methoden wissenschaftliche Vorteile gegenüber Tierversuchen haben und das Potential noch lange nicht ausgeschöpft ist.
Quellen:
(1) Bailey, J et al.: The future of teratology research is in vitro. Biogenic Amines 2005: 19 (2), 97-145
(2) (2) Olson, H et al.: Concordance of the Toxicity of Pharmaceuticals in Humans and in Animals. Regulatory Toxicology and Pharmacology 2000: 32; 56–67. 20000122
(3) Cambridge University Press The Flaws and Human Harms of Animal Experimentation
Christian Wulff