Vögeln in Berlin begegnet man immer seltener!

Nachtijal, ick hör dir trapsen!!! Denn: Alle Vögel sind schon lange nicht mehr da! Die Gründe? Vielfältig: Humane Wohnraumverdichtung, insektenvernichtende Pestizide oder die Schrecken erregende Silvesternacht.

Aber zuerst die gute Nachricht: Dem Berliner Spatz geht es ausgezeichnet. Trotz des fiesen Virus, der vor einigen Jahren viele Sperlinge hernieder raffte. Und auch trotz der Tatsache, dass der Haussperling bundesweit zu den bedrohten Arten gehört und bereits seit 2002 auf die roten Vorwarnliste der deutschen Brutvögel gesetzt wurde. Städte wie Hamburg, Köln oder Münster sind wesentlich spatzenärmer. Warum nur? Der Berliner Spatz lebt in meist friedlicher Symbiose mit Fritten- und Backwarenessern, die gerne mal etwas fallen lassen. Wenn das Portmonee im Straßen-Café gezückt wird, das lernen die Spatzenküken von ihren Eltern, heißt es: Losfliegen und Reste verwerten. Auch die nicht übermäßig gepflegten Parks findet der Berliner Spatz super, weil sich hier viel mehr Insekten tummeln als im barocken Garten mit englischen Rasenflächen.
Doch die Idylle wird immer mehr geschunden: Löchrige, morsche Dächer von Abrisshäusern, die dem Spatz als Unterschlupf dienten, werden rigoros abgerissen und weichen neuen Wohnbauten. Morsche Fassaden mit für den Spatz gemütlichen Löchern werden saniert und durch Kunststofffassaden versiegelt. Auch Brandschutzwände mit bröseligen Putz-Löchern wurden gerne für den Nestbau genutzt. Die urbane Wohnraumverdichtung lässt ebenso diesen Lebensraum in Berlin schwinden. Daher wünschen wir uns die Schaffung von Brutgelegenheiten!

Einen weiteren Grund für das massive Vogelschwinden in den letzten Jahren kennt wohl ein jeder: Durch den vermehrten Gebrauch von Pestiziden, etwa in der Landwirtschaft, Parkanlagen oder auch in privaten Gärten oder auf Balkonen, sterben die Insekten – beliebtes Futter der meisten Vögel. Keine Insekten = keine Vögel, aber auch: Keine Bestäubung der Obstbäume, was nebenbei erwähnt ja mancherorts schon zum großen Problem geworden ist. Maja Lunde beschreibt in ihrem dystopischen Roman „Die Geschichte der Bienen“, was aus der Menschheit und auch aus der Artenvielfalt aller anderen Lebewesen dieser Erde wird, wenn nützliche Insekten spurlos verschwinden. Die Insektenknappheit macht auch den Berliner Vögeln zu schaffen. Daher wird es schon lange empfohlen, nicht nur im Winter Vogelfutter anzubieten, sondern auch in den wärmeren Jahreszeiten.

Silvester: Man stelle sich vor, man sei ein Vogel. Pünktlich ab Anbruch der Dunkelheit beginnt das Böllern und Knallen in der ganzen großen Stadt. Der Vogel verfällt in Panik, denn er weiß nicht, wo und wann das nächste Geschoss in die Luft geht. Was tun? Viele Vögel fliehen Richtung oben. Sie fliegen aber nicht wie normalerweise in eine Höhe von 100 Metern über dem Erdboden. Nein – genau in dieser Höhe lauert die unberechenbare Gefahr. Der Vogel fliegt höher und höher, bis zu 1000 Meter hoch. Dort hat er Ruhe. Aber: Die gesamte Stadt zu überfliegen, die ja den Knallfreunden uneingeschränkte Freiheiten bietet, bedeutet einen enormen Kraftaufwand. Selten schaffen es die aufgeschreckten Vögel bis in die dünner besiedelten Randgebiete Berlins. Während ihrer Flucht schwinden ihre Reserven, die im Winter sowieso schon mager sind. Die Folge: Vor Erschöpfung können die Tiere nicht mehr weiterfliegen und stürzen in den Tod.

Warum muss es jedem Berliner freistehen, wo auch immer, den gesamten Silvester-Abend über zu knallen? Betrachtet man die pompösen Silvester-Feuerwerke anderer Städte, wie etwa Sydney oder Dubai, fällt auf, dass das Show-Spektakel immer nur auf einen kleinen Teil der Stadt beschränkt ist. Die in den Städten lebenden Tiere danken es! Eine territoriale Beschränkung der Silvesterfeuerwerke sollte uns Berlinern nicht schaden – der Vögel-Vielfalt zuliebe!

https://www.tagesspiegel.de/politik/serie-auf-der-faehrte-8-choere-sind-nach-ihm-benannt-sein-geschilpe-ist-eher-monoton/12221720-2.html
https://www.morgenpost.de/web-wissen/article104660338/In-Deutschland-gibt-es-immer-weniger-Spatzen.html
https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/artenvielfalt-zahl-der-voegel-in-deutschland-stark-gesunken-a-73985b1a-f4c9-4a86-b467-dab088ab48bb