Vom Machtpoker zur Politposse

Der Vorschlag der Regierungschefs, Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionspräsidentin einzusetzen, stiftet in diesen Tagen viel Unfrieden in Brüssel. Was während der nächtlichen Diskussionen vergangene Woche an Deals ausgehandelt wurde, ist nicht bekannt.

Die Vorgänge haben mit Demokratie nichts mehr zu tun, denn die von den gewählten Vertretern im EU-Parlament und den Fraktionen vorgeschlagenen Spitzenkandidaten werden vom Europäischen Rat schlicht ignoriert.

Aus dem EU-Parlament hagelt es daher auch heftige Kritik am nun vorgeschlagenen Personalpaket. „Es ist grotesk, dass von der Leyen diesen Posten bekleiden soll, obwohl sie nie zur Wahl gestanden hat“, meint MEP Martin Buschmann. „Wir wissen nicht, was da im Geheimen arrangiert worden ist. Das ist schlicht undemokratisch, eine bittere Enttäuschung für die Wähler.“

Der Verdacht liegt nahe, dass rechtsregierte Staaten wie Ungarn, Italien, Polen usw. mit allen Mitteln Franz Timmermans Wahl verhindern wollten. Der Sozialdemokrat wäre für sie ein unbequemer EU-Kommissionspräsident mit sozialer Agenda geworden. Beispielsweise warb er für eine CO2-Steuer und fordert einen europaweiten Mindestlohn.

Anstelle einer erfahrenen, progressiven Führungsfigur soll nun also die affärengeplagte deutsche Verteidigungsministerin an die Spitze der EU gestellt werden. Dafür scheint sie nicht die richtige Person zu sein. Derzeit läuft noch eine Strafanzeige gegen sie, auch einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss hat sie sich zu stellen. Das weiß auch von der Leyen und so reiste sie umgehend nach Straßburg, um für sich zu werben und einen Mini-Wahlkampf zu starten.

Wie das EU-Parlament in der Sitzungswoche ab dem 16. Juli über die von der Kommission vorgeschlagene Postenvergabe abstimmen wird, ist noch offen. 376 der 751 Abgeordneten müssen für sie stimmen, aber viele Parlamentarier haben schon angekündigt, ihre Stimme verweigern zu wollen.