𝗪𝗔𝗦 𝗛𝗔𝗧 𝗗𝗘𝗥 𝗞𝗟𝗜𝗠𝗔𝗚𝗜𝗣𝗙𝗘𝗟 (𝗡𝗜𝗖𝗛𝗧) 𝗘𝗥𝗥𝗘𝗜𝗖𝗛𝗧 (und was wäre nötig gewesen)

Multilaterale Vertragswerke auf den Weg zu bringen, ist ein schwieriges Unterfangen. Eine globale Einigkeit herzustellen, also quasi alle Staaten mit ihren unterschiedlichen Historien, politischen Systemen, Wohlstandsniveaus, Technologisierungs- und Wissenschaftsstandards unter einen Hut zu bringen, ist eine Mammutaufgabe. Aber es gibt in punkto Klimaerwärmung zu globalen Absprachen keine Alternative.

Die Reduzierung auf die Frage, ob wir es noch schaffen, das 1,5 Ziel zu erreichen oder auf 2 Grad Erwärmung zusteuern, verharmlost ohnehin die Dramatik der zu befürchtenden Entwicklung:

Zum einen ist ziemlich ungewiss, ob die Maßnahmen tatsächlich für die anvisierte Begrenzung der Erderwärmung ausreichen. Viele Wissenschaftler:innen (z.B. beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) sind nämlich entschieden anderer Meinung und befürchten, dass schon jetzt eine Erwärmung um etwa 4 Grad nicht mehr vermeidbar sei.

Zum anderen können die Folgen einer durchschnittlichen Erwärmung nicht exakt vorausgesagt werden. Man geht aber davon aus, dass sich bereits bei 1,5 -2,0 Grad die Polkappen um weitere 6 Grad erwärmen werden. Schon jetzt verliert Grönland etwa 270 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr. Rund 170 Milliarden Tonnen verliert die Antarktis.

Der Nordatlantikstrom wird wahrscheinlich versiegen, wodurch es mit dem gemäßigten Klima in Westeuropa vorbei wäre. Der Meeresspiegel wird um mindestens 3 Meter ansteigen. Es wird immer mehr zu extremen Hitzeperioden, zu Wirbelstürmen und zu Starkregenphänomenen kommen. Viele Landstriche werden aufgrund von Überschwemmung oder Versumpfung nicht mehr bewohnbar sein. Mit anderen Worten: Unsere Welt wird sich komplett verändern. Dass die Auswirkungen in den armen Regionen viel schwieriger zu bewältigen sein werden als in den reichen, versteht sich. Um zumindest die allerschlimmsten Verwerfungen zu vermeiden, braucht es die unbedingte Solidarität der Industrienationen.

Drittens sollten wir uns auch das schlimmste Szenario vergegenwärtigen, das durchaus im Bereich des Realen liegt, nämlich dass wir sämtliche Kipppunkte überschreiten und es zu einer Hypererwärmung kommt, die unseren Planeten irgendwann für Mensch und Tier unbewohnbar macht. Dies könnte bereits bei einer Durchschnittserwärmung von 3-4 Grad der Fall sein.

Es ist klar, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Zerstörung von CO2-Senken hauptverantwortlich sind für die Erwärmung der Erde. Was hat nun der Klimagipfel in diesen zentralen Punkten gebracht? Vor allem haben alle wichtigen Staaten bekräftigt, bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral wirtschaften zu wollen. Der Ausstieg aus der Kohle hat Eingang in das Abschlussdokument gefunden. Bei den Selbstverpflichtungen der Staaten zum Klimaschutz wurde nachgebessert (wenngleich noch immer von einem Viertel solche Verpflichtungen ausstehen) und es wurden Regeln vereinbart, nach denen die Staaten ihre nationalen Zusagen beim Klimaschutz erheben, berechnen und berichten sollen.

Es gibt eine Verpflichtung von mehr als 100 Ländern, bis spätestens 2030 die Zerstörung von Wäldern und anderen wertvollen Ökosystemen zu stoppen. Dies ist der vielleicht größte Erfolg – insbesondere da auch Russland und Brasilien die Verpflichtung eingegangen sind. Eine Gruppe von Staaten hat sich darüber hinaus darauf verständigt, das Ende des Verbrennungsmotors zu beschleunigen. In Flugverkehr und Schifffahrt aber ist man von echter Klimaneutralität noch weit entfernt. Insbesondere im Flugverkehr setzt man eher auf Emissionshandel als auf Emissionsreduktion.

Als ein großes Manko wird die schwammige Zusage Chinas gewertet, seine Emissionen erst um das Jahr 2030 zu senken, was deutlich zu spät ist. Gemeinsam mit Indien hat China zudem für die Aufweichung des Abschlusstextes im Hinblick auf den Kohleausstieg gesorgt. Und auch beim Ziel einer verbindlichen Methan-Reduktion gehen diese Länder nicht mit. Aus Sicht der PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ ist es in diesem Zusammenhang völlig unverständlich, dass bei der Methan-Emission vor allem die Mülldeponien, aber nicht die Massentierhaltung thematisiert wurde, obwohl diese ein noch viel stärkerer Emittent ist.

In Hinsicht auf die Klimagerechtigkeit ist der entscheidende Schritt noch nicht getan. Zwar wird die Absicht verkündet, für die vom Klimawandel besonders betroffenen Staaten Mittel bereitzustellen, doch konkrete Schritte zur Schaffung eines Fonds wurden nicht vereinbart.

Man kann die Ergebnisse von Glasgow insgesamt als Erfolg werten, denn diplomatisch wurden wichtige Fortschritte erzielt und klare Signale in Richtung Kohleausstieg und Schutz der Wälder gesetzt. Das einzige Problem: Diese Fortschritte reichen bei weitem nicht aus!

Dr. Marcel Krohn