Stierkampf in Spanien in den 1930er Jahren

Wie die EU-Stierkampf-Subventionen endlich abgeschafft werden können

Bereits 2015 stimmte das EU-Parlament mit 64 % mehrheitlich dafür, dass keine EU-Gelder in die Aufzucht von Stieren für den Stierkampf fließen dürfen. 2018 stimmte das Parlament mit 55 % der Stimmen dafür, dass die EU-Agrarpolitik grundsätzlich so reformiert werden soll, dass keine solchen Subventionen in die kommenden Haushalte eingeplant werden sollen. Das klingt so einfach wie nachvollziehbar. Doch es ist eine viel kompliziertere Angelegenheit und kann als Paradebeispiel herangezogen werden, weshalb die EU zuweilen unter einem schlechten Ruf zu leiden hat. Im folgenden Text soll nachgezeichnet werden, warum ein so simpler Wunsch der Europäerinnen und Europäer dennoch bis heute nicht umgesetzt wird. Und daraus folgernd, wie dieser Wunsch sobald wie möglich doch noch erfüllt werden kann.

Die 2015 vom Parlament beschlossene Resolution zum EU-Haushalt 2016 untersagte jegliche Verwendung von EU-Geldern für den Stierkampf. Der Änderungsantrag zur Beendigung der Stierkampfsubventionen unter Nr. 31 in der Resolution sowie eine konkret erfolgte Änderung der entsprechenden Zeile zur „Basisprämienregelung“ im EU-Haushalt machte den Beschluss dann komplett. 2018 wurde die Beendigung dieser Subventionen sogar in die Resolution zur Reform der kommenden Haushalte 2021-2027 im Rahmen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) aufgenommen. Grund bei beiden Parlamentbeschlüssen: der Stierkampf war unvereinbar mit der Richtlinie zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere des Rates der Europäischen Union.

Die Europäische Kommission fügte in den inklusive dieser Änderung beschlossenen Haushalt jedoch letztlich lapidar eine Fußnote ein, in der es dann hieß, dass der Parlamentsbeschluss nicht umgesetzt werden könne. Grund hierfür sei: Die Subventionen fließen seit der bereits 2005 in Kraft getretenen neuen „Gemeinsamen Agrarpolitik der EU“ nicht mehr für bestimmte Zwecke, sondern pauschal an die Landwirte und was diese dann mit dem Geld produzieren, stehe wiederum unter Hoheit der Mitgliedsstaaten. Diese Gelder fließen als sogenannte Direktzahlungen.

Das klingt erstmal logisch, wenn man die Prämisse, dass jedeR LandwirtIn produzieren könne, was er oder sie möchte und die EU dabei nur tatenlos zuschauen muss, akzeptiert. Das wiederum muss man aber nicht akzeptieren! Denn sie gilt für zahlreiche andere Auflagen ja auch nicht.

Im Jahr 2009 wurden EU-einheitliche Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der GAP mit folgendem Absatz beschlossen:

„Mit der Verordnung 1782/2003 wurde der Grundsatz festgelegt, dass die Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebsinhaber, die bestimmte Anforderungen im Bereich der Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen, der Umwelt und des Tierschutzes nicht erfüllen, gekürzt bzw. die Betriebsinhaber davon ausgeschlossen werden. Diese Regelung der ‚Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen‘ (‚Cross-Compliance‘) ist integraler Bestandteil der gemeinschaftlichen Unterstützung in Form von Direktzahlungen …“

In den „Cross-Compliance“-Vorgaben wiederum wird sich auf die eingangs erwähnte Richtlinie zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere bezogen, damit Verstöße gegen den Tierschutz zur Streichung oder Rückzahlung der EU-Subventionen führen. Subventionskürzungen müssen ohne Ausnahme etwaiger nationaler Regelungen vorgenommen werden, wenn die Gesundheit von Menschen oder Tieren beeinträchtigt wird, was bei den Stierkämpfen in den Arenen sogar sowohl für Menschen als auch für Tiere zutreffend wäre. Die Richtlinie zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere jedoch schließt Tiere aus, die nicht für landwirtschaftliche Zwecke bestimmt sind. Stiere, die ein Landwirt züchtet, dann aber nicht schlachtet, sondern an Betreiber einer Stierkampfanlage verkauft, sind von der Richtlinie also nicht gedeckt.

Das bedeutet, dass landwirtschaftliche Subventionen an Landwirte fließen, die landwirtschaftliche Nutztiere dann aber nicht für die Landwirtschaft, sondern für kulturelle Veranstaltungen verwenden und deshalb die Erlaubnis haben, grausamste Verstöße gegen die für die Subventionsverpflichtungen grundlegenden Tierschutzbestimmungen zu begehen! Und das Ganze, obwohl diese Stiere nach der qualvollen Tötung in der Arena genauso der Fleischverarbeitung zugeführt werden wie die Stiere desselben Landwirtes, die vom gewöhnlichen Schlachter getötet wurden!

Das klingt völlig absurd? Das ist es auch. Würde die EU wirklich ein Ende der Stierkampfsubventionen wollen, hätte sie bereits längst politische Maßnahmen beschlossen und hätte sich nicht Jahr um Jahr hinter angeblichen verwaltungstechnischen oder juristischen Hürden versteckt. Jeder Stier ist problemlos auf seinen Zuchtbetrieb zurückverfolgbar, der ebenso problemlos etwaige Subventionen zurückzuzahlen hätte oder Strafgelder auferlegt bekommen könnte, wie es bei anderen Verstößen bereits gehandhabt wird!

Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz im Europaparlament brachte gleich am Anfang der aktuellen Legislaturperiode aufgrund des Unwillens der EU-Institutionen nochmals den mehrheitlich gefassten Beschluss von 2015 auf die Tagesordnung und forderte mittels eines Änderungsantrags zur Resolution zum EU-Haushalt 2020, endlich die Subventionen für Stierkampf-Züchter zu beenden. In der Erwartung, dass das Parlament genauso abstimmen wird wie 2015. Aber daraus wurde nichts, da sich Christdemokraten, Liberaldemokraten und Sozialdemokraten einig darin waren, diese Änderung, die eigentlich nichts weiter als eine Erinnerung an den Status quo des Parlamentswillens war, abzulehnen.

Die Tierschutzpartei machte daraufhin die Namen der betreffenden deutschen Abgeordneten in einer Infografik publik, die von hunderttausenden WählerInnen gesehen wurde. Etliche schrieben daraufhin die Abgeordneten ihres Bundeslands an, um zu erfragen, weshalb sie weiterhin die Stierkampfsubventionen unterstützen. Anstatt jedoch klar Stellung gegen den Stierkampf zu beziehen oder gar ihr Stimmverhalten nachträglich abzuändern (was jedem Abgeordneten möglich ist), wüteten sie gegen den Änderungsantrag und scheuten auch keine böswilligen Unterstellungen und dreisten Unwahrheiten. Oft wurde einfach geantwortet, dass die EU den Stierkampf nicht gezielt und direkt finanziert, weshalb das Ziel der Tierschutzpartei im Europaparlament gar keine reale Grundlage habe. Die häufigste Ausrede jedoch war, dass es kein rechtlich bindender Änderungsantrag für den Haushalt war, sondern „nur“ für die Resolution zum Haushalt. Das ist aus drei Gründen eine skurrile Ausrede, denn a) bedeutet das ein Eigentor, da es eine Abwertung der Resolution, die hauptsächlich von der CSU verfasst wurde, darstellt, b) bereits 2015 ja direkt der Haushalt geändert wurde und somit eine Resolution, die daran erinnert, den angemessenen Rahmen darstellt und c) es für die Mitte-Rechts-Abgeordneten doch erst Recht problemlos möglich gewesen sein sollte, für diese Erinnerung zu stimmen, wenn sie doch gar keine rechtlichen Folgen haben kann und der insgeheim oder offen von ihnen und der Kommission unterstützte Stierkampf deshalb weiter geht.

Doch am deutlichsten wird die eigentliche Haltung dieser Abgeordneten am Umstand, dass keiner von ihnen bislang etwas dafür tat, die notwendigen rechtlich wirksamen Änderungen zu initiieren, damit der Stierkampf – sowie etliche andere Verstöße gegen den Tierschutz – nicht mehr mit Steuergeldern unterstützt werden. Weder auf der nationalen noch auf der europäischen Ebene fallen diese Parteien durch tierfreundliche Gesetzgebungen auf. Jederzeit hätten sie das EU-Recht dergestalt konkretisieren können, dass Tierquälerei bei der Stierkampfzucht genauso zur Streichung der Subventionen führt wie Tierquälerei bei der Rinderzucht für die Fleischproduktion, falls die derzeitigen Richtlinien tatsächlich eine Art Gesetzeslücke und nicht nur die Basis einer Ausrede darstellen. Aber nichts dergleichen wurde all die Jahre unternommen!

Eine SPD-Abgeordnete antwortete auf die WählerInnen-Anfragen immerhin, dass ihre Partei die pauschalen Direktzahlungen abschaffen will, worin sie das Ende der Stierkampfsubventionen sieht. Das muss es aber nicht bedeuten, denn dies hängt von der konkreten Ausgestaltung der neuen mehrjährigen GAP ab, die in den kommenden Wochen und Monaten intensiv in Brüssel und Straßburg diskutiert wird.

Wir werden dann genau beobachten, wer dann dafür eintritt, den Parlamentsbeschluss von 2015 anzuerkennen und bewusst so abstimmen wird, dass die grausame Tradition des Stierkampfs – und etliche weitere bislang bewusste Verstöße gegen die eigenen Tierschutzbestimmungen – keinerlei direkten oder indirekten finanziellen Förderungen der EU mehr erhält.

Wie also ist nun zu verfahren, damit der Wunsch der WählerInnen und der ParlamentarierInnen auch wirklich von der EU-Kommission umgesetzt wird?

  • Der einfache Teil: das Parlament darf dem mehrjährigen EU-Finanzrahmen (2021-2027) und der künftigen GAP nur dann zustimmen, wenn darin Stierkampfsubventionen ausdrücklich untersagt sind. Dafür muss vor der Abstimmung im EU-Parlament ein entsprechender Änderungsantrag unsererseits gestellt werden, da die zuständigen Berichterstatter sicherlich nichts dergleichen in der Haushaltsvorlage eingefügt haben werden – diese ist ja ein Kompromissergebnis zwischen Parlament, Rat und Kommission und wie die Kommission als auch der Rat der EU, bei dem Spanien eine gewichtige Stimme hat, zum Stierkampf stehen, ist ja mittlerweile bekannt.
  • Der mittelschwierige Teil: Die Kommission muss das dann auch umsetzen wollen und können, da sie ansonsten wie bereits zuvor das Gesetz einfach wegen angeblicher Unausführbarkeit ignoriert. Wenn die Direktzahlungen komplett wegfallen sollten, wie von der SPD-Abgeordneten versprochen, dann entfällt zumindest die Umgestaltung der Cross-Compliance-Richtlinie oder der Richtlinie zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere. Dann kann man direkt in die neuen Bedingungen für Agrarsubventionen den Stierkampf so ausschließen, wie man es bislang auch für andere Tierquälereien, Gesundheitsrisiken oder Umweltschädigungen praktiziert (wenn sie denn aufgedeckt werden und den rechtlichen Rahmen überschreiten).
  • Wenn dieser direkte Weg aber wiederum nicht gelingt wegen mangelnder Mehrheiten im Parlament oder wenn die Direktzahlungen doch nicht abgeschafft werden, müssen die Richtlinien abgeändert werden, was unter Umständen deutlich schwieriger werden kann, da diese derzeit eigentlich gar nicht geändert werden sollen im Gegensatz zum EU-Haushalt und zur GAP.
  • Wenn dies auch nicht gelingt, dann stehen zwei Dinge fest: 1. Christdemokraten, Liberaldemokraten und Sozialdemokraten sind schlichtweg gar nicht daran interessiert, dass die Subventionen für den Stierkampf beendet werden oder gar dass der Stierkampf beendet wird und 2. die progressiv-tierfreundlichen Abgeordneten des EU-Parlaments werden jedes Jahr erneut die gleichen Änderungsanträge stellen und immer wieder die aktuelle Liste derjenigen Volksvertreter veröffentlichen, die sich durch ihr Abstimmungsverhalten öffentlich pro Tierqual einsetzen!