Die meisten kleineren Parteien – und manchmal auch die großen – werden immer mal wieder von einer Rechts-Links-Diskussion heimgesucht. Diese kann dann konstruktiv, offensiv und selbstkritisch geführt werden, so dass die Begründung der Positionierung in der politischen Landschaft ein Update erfährt und das Profil der Partei geschärft wird. Daher sollte man sich einer solchen Debatte dann auch öffentlich und mutig stellen. Das Motto „nicht links, nicht rechts“ bringt nichts, denn jede politische Aussage ist immer mit einem Abwägen verbunden, das die Grundprämissen des Politischen berührt. Auch wenn die Rechts-Links-Begrifflichkeit, die im frühen 19. Jahrhundert in Frankreich entstanden ist, grob und oft zu Worthülsen verkommen ist, so liegt ihr dennoch der fundamentale Konflikt jeder politischen Richtungsentscheidung zugrunde.
Was ist eigentlich „Rechts“ und was ist „Links“?
Mit linken Werten verbinden Menschen nicht nur Gleichheit der Menschenwürde, sondern auch Gerechtigkeit, Vernunft, Nähe, Neues, das Internationale sowie das „Du“. Es geht um Einfühlungsvermögen, Verstehenwollen und Verbundenheit mit Anderen, um das Denken in Dynamiken und Entwicklungspotenzialen. Links bedeutet die Vorstellung, dass das Bestehende nicht aus einer zwingenden Entwicklung hervorging, sondern auch von Irrtümern getragen wurde, und Links bedeutet vor allem, dass das Künftige offen und zum Besseren hin gestaltbar ist.
Im Gegensatz dazu meint der politische Begriff Rechts eine naturgegebene und nicht zu verändernde Ungleichheit der Menschen, aus der sich Hierarchien mit traditionellen Werten und Normen ergeben. Dabei ist die Freiheit des Stärkeren wichtiger als die Freiheit jedes Individuums. Mit rechten Ansätzen verbinden Menschen Distanz, Autorität, Unterordnung, geregelte Umgangsformen, das Nationale und das „Sie“. Im Vordergrund rechter Politik steht das Aufrechterhalten von Machtverhältnissen – etwa mittels Kapital, Diktatur oder Gewalt. Und die lehnen wir als soziale, demokratische und pazifistische Partei klar ab und betrachten Gewaltlosigkeit als elementare Grundlage der tierschutzpolitischen Bewegung.
Es wird deutlich, wo wir als Partei Mensch Umwelt Tierschutz stehen: klar links. Wir werden allgemein als sozialliberal-ökologisch, in Nähe von Grünen, SPD und Linken verortet. Und somit stehen wir für Demokratie, Offenheit und Vielfalt. Aber Toleranz gegenüber ausgrenzender und menschenverachtender Intoleranz, etwa in Form von Duldung gewalttätiger Strömungen oder Offenheit für Rechtsradikale, darf es nicht geben.
Wer Rechte oder gar Rechtsradikale an die Macht kommen lässt, schadet auch allen tierschutzpolitischen Zielen, denn rechte Politik ist nicht offen für notwendige Veränderungen. Auch wenn sie gern populistische Versprechungen machen, sie werden sie nicht halten. Linke Politik hingegen weiß darum, wie wichtig Solidarität und Mitgefühl ist. Auch wenn nicht alle Politiker der großen linken Parteien bereit sind für echten Tierschutz – das Problem kennen wir natürlich – so ist hier doch deutlich mehr Verständnis für unsere Anliegen vorhanden!
Und was ist mit der „Mitte“? Die meisten Menschen verorten sich selbst mittig und lehnen die Zuschreibungen Links und Rechts ab, weil sie beides fälschlich mit Radikalität oder gar mit Extremismus, also Gewalt, assoziieren. Viele, die eindeutig linke Ziele vertreten, fühlen sich auch mittig, weil sie es als selbstverständliche Verortung unserer Gesellschaft verstehen oder so sehen wollen. Es geht uns bei der Verortung unserer Ausrichtung um die programmatische Grundlage der Partei und hierbei um die grundlegenden Politikansätze, die es gibt, nicht um ein subjektives Identitätsgefühl. An letzterem möchten, brauchen und können wir nichts ändern; jede Unterstützer der Tierschutzpartei kann sich „mittig“ fühlen. In der Politik aber gilt es Entscheidungen zu treffen: für mehr Gerechtigkeit, für Frieden und Menschen- sowie Tierrechte für alle. Linke Politik bejaht diese Ideale, auch wenn man pragmatische Kompromisse natürlich immer machen muss. Aber linke Politik bedeutet insbesondere auch, dass man die Rahmenbedingungen von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik so ändert, dass Kompromisse zulasten von Gerechtigkeit, Frieden und Recht nicht mehr nötig sind. Daher ist man nicht „mittig“, wenn man Kompromisse mit der Realität oder anderen Menschen macht, denn das tut linke Politik auch stets. Sondern man ist vielmehr dann nicht links, wenn man es unterlässt, sich für die Ideale und die Ermöglichung der Umsetzung dieser Ideale einzusetzen. „Mitte“ bedeutet in der Politik – also nicht in der subjektiven Empfindung – dass man sich entweder enthält, was einer Partei nicht möglich ist, oder dass man ohne Notwendigkeit Abstriche bei Menschenrechten, Gerechtigkeit und Frieden macht. Geht man hingegen gezwungenermaßen Kompromisse ein, weil das Ergebnis nach sorgfältiger Abwägung ansonsten noch weniger den Idealen entsprechen würde, kann man sich zwar dadurch „mittig“ fühlen, aber es führt nicht automatisch dazu, dass die politische Entscheidung nicht mehr als links gelten kann.
Es gibt Menschen, die partout nicht mit dem Begriff links, weder für sich selbst, noch für unsere Partei, leben können, aber die die hier und in unserem Grundsatzprogramm beschriebenen Ideale und Ziele unterstützenswert finden. Ihnen möchten wir versichern, dass unsere Ideale und Ziele im Vordergrund stehen und es nicht um Labels, Wortklauberei, festgefahrene Ideologie oder Schubladendenken geht. Es geht darum, die internationale tierschutzpolitische Bewegung so kraftvoll, dynamisch und breit aufgestellt wie möglich zu machen. Natürlich im Dialog mit unseren UnterstützerInnen und um unsere gemeinsamen Anliegen bemüht.
Die Diskussion um den Europaabgeordneten Martin Buschmann
Im Zusammenhang mit der Diskussion um Martin Buschmann gab es, wie nicht anders zu erwarten, auch eine Rechts-Links-Diskussion. Das ist umso bedeutungsvoller, als der Tierschutzpartei schon einige Male der Vorwurf der Rechtsoffenheit gemacht wurde, der auch jetzt wieder hoch kam. Rechtsoffenheit bedeutet, dass man zwar nicht selbst rechts eingestellt ist, aber Rechten Möglichkeiten gibt, anzudocken. Rechte wiederum suchen händeringend danach, um sich selbst als moderat darstellen zu können und auf diesem Wege Einfluss zu gewinnen.
Wenn man die Diskussionsbeiträge um Martin Buschmanns Vergangenheit und die Stellungnahme der Partei analysiert, so gab es zwei generelle Haltungen:
- Überwiegende Haltung: Das Verhalten von Martin Buschmann dürfe nicht toleriert werden und er solle sein Mandat abgeben. Hier wurde einerseits die Unaufrichtigkeit, die Wählertäuschung, als Argument verwendet. Andererseits reichte aber auch Vielen die Tatsache, dass er früher einmal Mitglied und Funktionär der NPD war, schon für eine Unvereinbarkeit aus. Für Letztere hätte auch die rechtzeitige und vollständige Offenlegung seiner Vergangenheit nichts daran geändert, dass er als Mandatsträger (oder als Mitglied) der Tierschutzpartei ungeeignet ist.
- Minderheitsmeinung: Die frühere NPD-Tätigkeit von Martin Buschmann kann und sollte toleriert werden, da sie lange zurückliege und Martin eine gute Arbeit im Sinne des Tieschutzes mache. Eine typische Äußerung ist „Mein Gott lasst doch endlich die Vergangenheit ruhen. Jeder hat ein Recht auf eine zweite Chance“ oder auch „den Tieren ist das egal“. Die Tatsache der Unaufrichtigkeit hat die meisten, die dieser Argumentation folgten, nicht interessiert. Auch der Umstand, dass die Umsetzung unseres Wahlprogramms ohne Fraktion, somit ohne fachliche Mitarbeiter*innen und ohne richtige Ausschussarbeit gar nicht mehr wirklich möglich ist, war denjenigen nicht wirklich bewusst. Auch wurde ausgeblendet, dass nicht der konkrete Kandidat, sondern eine Liste mit drei Spitzenkandidierenden, die ein Wahlprogramm bestmöglich umsetzen wollen, gewählt wurde. Einige änderten aber auch ihre Einschätzung, nachdem sie sich mit dem Hergang näher beschäftigten oder die schwierigen Folgen der Fraktionslosigkeit erkannten.
Man kann wohl davon ausgehen, dass diejenigen, die Standpunkt 1 vertreten, eine eher linke Gesinnung haben. Für sie ist jede Verbindung zu rechtem bzw. rechtsextremen Gedankengut ein Tabubruch und zwar auch dann, wenn es lange zurückliegt. Für manche ist diese Verbindung sogar Grund, auf Distanz zur Partei zu gehen – teils aus tiefer Überzeugung, teils aus Angst vor Diskreditierung des politischen Tierschutzes. Denn dieser ist nur authentisch machbar, wenn man die Werte der Tierrechtsbewegung auch vollständig vertritt, also im Sinne der intersektionalen Solidarität und eines ehrlichen, transparenten Politikstils.
Denjenigen, die die Minderheitsmeinung vertreten, scheint die klare Abgrenzung nach rechts nicht so wichtig zu sein, solange der Einsatz für Tierrechte im Mittelpunkt steht. Möglicherweise war unter denen, die den Standpunkt 2 eingenommen haben, auch der eine oder andere mit eher rechter Gesinnung, doch aus den Kommentaren geht das nicht hervor. Allerdings standen rechte Positionen auch nicht zur Debatte. Martin Buschmann hat ja in seinen Äußerungen und in seiner politischen Tätigkeit stets linke Positionen vertreten. Es war also im Kern keine Diskussion über politische Inhalte, sondern über die rechte Vergangenheit eines Politikers und seinen Umgang damit. Sicherlich spielt bei einigen, die Standpunkt 2 vertraten, auch gerade eine linke Eigenschaft, eine Rolle: sie können in Martin Buschmann nur ein Opfer der Umstände sehen, weniger beachten sie die inakzeptablen Umstände an sich.
Werte vertreten, sie verteidigen und ein klares politisches Profil zeigen
Trotzdem kann man feststellen, dass unter den Diskutant*innen deutlich mehr Linke als Indifferente oder gar Rechte waren und dass im Umfeld der Tierschutzpartei eine starke linke Sensibilität herrscht. Man kann davon ausgehen, dass die Diskussion repräsentativ für die Stimmung in der Anhängerschaft ist. Es verbietet sich nicht nur wegen unserer seit Bestehen der Partei links orientierten Programmatik, sondern auch aus prinzipiellen Gründen, auf eine linke Positionierung und eine unmissverständliche Abgrenzung gegen rechts zu verzichten.
Unser dezidiert linkes Grundsatzprogramm mit klarem Bekenntnis für Menschenrechte, sozialer Gerechtigkeit, Frieden und ehrlichem Tierschutz profiliert uns gegenüber den anderen Tierschutzparteien, die es noch gibt, aber auch gegenüber der in Tierschutzfragen nicht so konsequenten ÖDP, mit der wir eine gewisse programmatische Schnittmenge aufweisen. Wenn wir darauf verzichten würden, uns selber als links zu bezeichnen, dann verzichten wir unnötigerweise auf ein klares Profil und werden Menschen verschrecken, die inhaltlich eigentlich sehr auf unserer Linie liegen. Das dürfen wir nicht zulassen und müssen noch deutlicher als jemals zuvor kommunizieren, dass wir verlässlich für linke, humanistische und progressive Politik stehen.
Weiterführende Texte:
Testen Sie sich: Bin ich links, Mitte oder rechts?
Manifest: Worum geht es der internationalen tierschutzpolitischen Bewegung?
Stellungnahme: Tierschutzpartei fordert Buschmann zum Rücktritt auf